Einst war die Pflanze bei Hexen und Brauern beliebt. In Fertigpräparaten wirkt sie heute entkrampfend

Mit Schaudern erzählten sich die Menschen des Mittelalters von Hexen, die angeblich auf Besen oder Ziegenböcken zum Blocksberg flogen und sich dort in ekstatischem Tanz ergingen. In ihrer blühenden Fantasie sahen die schockierten Bürger, wie die Frauen wild um ein Feuer herumwirbelten und sich hemmungslos einander und dem Teufel hingaben.

Eine der bekanntesten literarischen Darstellungen dieses Treibens ist die Szene Walpurgisnacht in „Faust“. Bei seinen Recherchen befasste sich Johann Wolfgang von Goethe (1749 bis 1832) intensiv mit den Bräuchen der kräuterkundigen Frauen, besonders mit dem Besenflug. Eine wichtige Rolle spielten dabei die Hexensalben. „Die Salbe gibt den Hexen Mut“, schrieb der Dichterfürst.

Endstation Scheiterhaufen
Die Zubereitungen der Kräuterweiber enthielten ein hochgiftiges Gemisch aus Pflanzen, die das Bewusstsein verändern können. Vor allem waren das Fliegenpilze und Alraunen, Tollkirsche, Stechapfel und nicht zuletzt das Schwarze Bilsenkraut (Hyoscyamus niger). Berauscht von diesen Drogen, glaubten die Frauen, sie könnten auf ihren Besen abheben und fliegen.

Einige der Giftstoffe können tatsächlich Halluzinationen wie ein Gefühl des Fliegens hervorrufen. Zu regelrechten Höhenflügen, bei denen mithilfe der Salbe die Schwerkraft überwunden wird, hat das zwar nicht gereicht. Die Schilderungen der Rauschzustände brachten damals jedoch viele der vermeintlichen Hexen auf den Scheiterhaufen.

Ins Bier gemischt
Das Bilsenkraut, dessen Name sich wahrscheinlich vom keltischen Sonnengott Belenus ableitet, begegnet uns aber nicht nur in mittelalterlichen Kulthandlungen. Einige Braumeister mischten es auch ins Bier, um dessen Wirkung zu verstärken. Deutsche Landesfürsten ärgerten sich über diese Zusätze.
Die Oberen tranken selbst gerne mal ein Bierchen. Vermutlich zum Eigenschutz verboten sie daher alles, was ihrer Meinung nach im Bier nichts zu suchen hatte. Das führte unter anderem zur Einführung des bayerischen Reinheitsgebots von 1516, demzufolge das Gebräu ausschließlich aus Gerste, Hopfen und Wasser bestehen darf.

Der griechische Arzt Dioskurides warnte bereits im ersten Jahrhundert nach Christus davor, das Bilsenkraut würde Wahnsinn verursachen. Trotzdem empfahl er es zugleich als Heilmittel. So sollten die frischen Blätter als Umschlag Schmerzen lindern und im Mundspülwasser bei Zahnweh helfen.
Dass das Kraut auch als Mordwaffe dienen konnte, stellte der englische Dichter William Shakespeare (1564 bis 1616) in „Hamlet“ dar. Den Geist des ermordeten Dänenkönigs ließ er erzählen, wie diesem vor seinem Tod der verhängnisvolle Saft in den Gehörgang geträufelt worden sei.

Auf die Dosierung kommt es an
Die starke Wirkung des Krauts beruht auf den darin enthaltenen Tropanalkaloiden. In geeigneter Dosierung erweitern sie heute gelegentlich als Augentropfen die Pupillen. Wegen ihrer Giftwirkung darf die Pflanze nicht als Tee oder Salbe angewendet werden. In hochverdünnten Zubereitungen nutzt die Homöopathie das Hexenkraut noch heute.

Laut Samuel Hahnemann, dem Begründer dieser alternativen Behandlungsmethode, soll es bei Unruhe und Erregung, Schlafstörungen, spastischen Zuständen der Atemwege und des Verdauungstrakts sowie trockenem Reizhusten helfen.
 
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