Der Baum galt einst als Symbol für Ewigkeit und Verderben. Heute dient sein tödliches Gift als Krebsmittel
Es geschah rund 5300 Jahre vor unserer Zeit. Ein bewaffneter Mann Mitte 40 starb an Verletzungen, die vermutlich von einem Kampf herrührten. Kein Einzelfall – trotzdem sollte genau dieser Steinzeitmensch Geschichte schreiben. Als Gletschermann „Ötzi“ gelangte er 1991 zu Weltruhm.
In seinem Besitz fanden Forscher unter anderem einen Bogen aus Eibenholz. Nicht von ungefähr hatte der Jäger ausgerechnet dieses elastische und gleichzeitig widerstandsfähige Holz gewählt. Von der Jungsteinzeit bis ins späte Mittelalter verwendeten es die Menschen bevorzugt zum Waffenbau.
„Eiben galten jahrhundertelang als lebende Waffenlager“, sagt Dr. Hilke Steinecke vom wissenschaftlichen Dienst des Palmengartens in Frankfurt am Main. Deshalb hätten die Menschen die Bäume damals häufig um ihre Burgen herum angepflanzt. „Das Holz war so begehrt, dass es in England im Jahr 1492 sogar einen Erlass gab, dem zufolge Kaufleute mit jeder Warenlieferung auch vier Eiben bögen einführen mussten“, erzählt Hilke Steinecke.
Jagen und Morden
In der Mythologie galten die Bäume als düsteres Todessymbol. „Eibenwälder sind sehr dicht und dunkel und wirken bedrohlich. Der Hauptgrund für die Assoziation mit dem Tod wird aber die extreme Giftigkeit sein“, vermutet Botanikerin Steinecke. Das Gift diente in alter Zeit Mordzwecken.
„Jäger haben Pfeilspitzen daraus hergestellt, Mörder verwendeten es, um unliebsame Zeitgenossen aus dem Weg zu schaffen“, erklärt Professorin Andrea Polle von der Abteilung für Forstbotanik und Baumphysiologie an der Göttinger Georg-August-Universität. Selbst der mächtige römische Herrscher Julius Cäsar soll Anschläge mit dem natürlichen Giftstoff gefürchtet haben.
„In der Medizin diente das Gift der Eibe als Abtreibungsmittel“, berichtet Hilke Steinecke. So manche Frau wird diese Behandlung mit der verhängnisvollen Substanz allerdings nicht überlebt haben. Im christlichen Abendland steht das knorrige Gewächs seit Jahrhunderten auf Friedhöfen. Polle nennt einen alten Spruch: „Aus jedem Toten wächst eine Eibe.“
Die Bäume stehen aber nicht nur für Tod und Verderben, sondern auch für Ewigkeit und Unverwüstlichkeit. Manche können sogar Jahrtausende überdauern. Bei den Kelten galten Eiben als Verbindungsglied zwischen Diesseits und Jenseits. Im keltischen Jahresrad waren sie das Symbol für den Tod der Sonne.
Die Menschen priesen das Holz als heilig, sie fertigten Runen, Zauberstäbe und Wünschelruten daraus. Der Dichter William Shakespeare griff die Assoziation mit der Welt der Magie auf und ließ seine Hexen in „Macbeth“ einen Zaubertrank mit Eibenholz brauen.
Schutz vor bösem Zauber
Noch zu Beginn der Neuzeit vertrauten die Menschen auf die überirdischen Kräfte des Holzes. Als Kettenanhänger sollte es vor bösem Zauber schützen. Heute nutzen Mediziner einen nahen Verwandten der bei uns heimischen Eibe in der Chemotherapie: die Pazifische Eibe (Taxus brevifolia).
„Die Substanz Paclitaxel setzen wir erfolgreich gegen Lungen-, Eierstock- und Brustkrebs ein“, berichtet Professor Thomas Efferth, Leiter der Abteilung für pharmazeutische Biologie am Institut für Pharmazie und Biochemie der Johannes- Gutenberg-Universität in Mainz.
Seit US-Forscher zufällig auf die segensreiche Wirkung stießen, ist der Stoff sehr begehrt. „Um den Bedarf zu decken und gleichzeitig die Bestände zu schützen, stellen wir das Krebsmittel halbsynthetisch her“, sagt Efferth. Die Eibe, einst ein düsterer Todesbote, symbolisiert heute Hoffnung für viele Patienten.
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