Sie meinen es alle nur gut mit ihren Ratschlägen. Trotzdem nervt es ganz schön, wenn sich andere ständig einmischen. So gehen Eltern souverän mit Besserwissern um

Als Eltern fühlt man sich manchmal umzingelt. Umzingelt von Omas, Nachbarn und anderen Müttern und Vätern, die vor allem eines auszeichnet: Sie wissen alles besser – was man dem Kind erlauben darf und was nicht, wann es essen, trinken, schlafen soll. Das Dumme: Obwohl man sich gerade noch sicher war, genau das Richtige für sein Kind zu tun, kommt man doch ins Zweifeln.
 
„Es gibt eben nichts absolut Richtiges und nichts absolut Falsches, sondern immer nur verschiedene Sichtweisen“, erklärt Andreas Engel, Diplom-Psychologe und Vorstandsmitglied der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung. Und meist vereinen wir eben auch mehr als eine Sicht der Dinge in uns selbst. Kommt dann eine Stimme von außen, konfrontiert sie uns letztlich mit der eigenen Unsicherheit.
 
Die Einmischung in Erziehungsfragen ist daher für viele Eltern ein Reizthema, vor allem für Mütter. Denn sie ziehen aus ihrer Rolle einen größeren Teil ihres Selbstwertgefühls als Väter. „Mütter achten sehr genau darauf, wie sie von ihrer Umwelt wahrgenommen werden, und reagieren entsprechend emotional“, erklärt Engel.
 
Sie sind mit Ihrem Kleinen im voll besetzten Bus unterwegs. Der Tag war lang, Ihr Kind ist müde und hat schlechte Laune. Der Schnuller landet im hohen Bogen auf dem Boden, das Gebrüll ist groß. Die anderen Fahrgäste beginnen schon, nervös auf ihren Sitzen herumzurutschen, der erste Kommentar lässt nicht lange auf sich warten. Ob das Kleine nicht vielleicht Hunger hat, fragt eine ältere Dame. Ein Herr zischt: „Die hat ihr Kind ja wohl nicht im Griff.“

Stress pur! Denn nicht nur das Gebrüll zehrt an Ihren Nerven, Sie müssen diese Situation auch noch vor Publikum bestehen. „Sie sollten sich bewusst machen, dass ein Kind schreien darf. So fällt es Ihnen leichter, die Kommentare abprallen zu lassen“, sagt Engel. Vermutlich wird dies nicht von Anfang an gelingen, doch mit der Zeit gewinnen Sie Gelassenheit.
 
Wer sich zudem für gut gemeinte Ratschläge bedankt, bietet wenig weitere Angriffsfläche. „Scheuen Sie sich aber auch nicht, darauf hinzuweisen, dass Sie alleine mit der Situation klarkommen“, rät der Psychologe. Oder fragen Sie zurück, was denn der Miterzieher an Ihrer Stelle machen würde. Das zeugt von Selbstbewusstsein – und gibt Ihnen Kraft, bis Sie aus dem Bus aussteigen.
 
„Glaubst du nicht, dass dem Kleinen ohne Jacke zu kalt ist?“ Draußen sind es 22 Grad, und bis eben waren Sie sich ganz sicher, dass Ihr Sohn in T-Shirt und Bermudas passend angezogen ist. Doch dann kommt die besorgte Nachfrage Ihrer Mutter. Und auf einmal sind Sie unsicher. „Mischt sich eine nahestehende Person wie etwa die eigene Mutter ein, reagieren viele empfindlicher als bei einem Fremden“, weiß Engel. Denn in der Frage steckt viel mehr als nur die Sorge um den Enkel.
 
„Hier schwingt auch die Beziehung mit, die Sie zu Ihrer Mutter haben“, erklärt der Psychologe. Plötzlich fühlen Sie sich wieder wie das zehnjährige Kind, dessen Verhalten kritisiert wird. Machen Sie sich deshalb klar, dass das in dieser Situation sicher nicht die Absicht Ihrer Mutter war. Sie wollte Sie nicht verletzen, sondern helfen.
 
Manchmal gehen Omas aber auch subtiler vor. Statt sich über die zu dünne Mütze des Enkels zu mokieren, bringen sie beim nächsten Besuch einfach eine dicke Wollmütze mit – als Geschenk. Und Sie ärgern sich. „Um die Situation zu klären, fragen Sie Ihre Mutter am besten direkt: ,Meinst du, dass die andere Mütze zu dünn ist?‘“, rät Engel. Verneint sie dies, Sie haben aber dennoch Zweifel, sollten Sie noch einmal nachhaken. Denn nur so bekommen Sie Klarheit und versichern sich, dass Sie die Situation richtig gedeutet haben. Und Sie machen damit Ihrem Gegenüber deutlich: Ich lasse mir nicht alles gefallen. Das ist ein wichtiges Signal für die Mutter, aber auch für das eigene Selbstwertgefühl.

Gerade im Umgang mit besorgten Omas und Opas empfiehlt Engel zudem Gelassenheit und etwas Humor, denn das schafft Distanz: „Vielleicht gelingt Ihnen das besser, wenn Sie sich bewusst machen, dass die Großelternrolle einfach eine andere ist als die Ihre.“
 
Der Klassiker im Supermarkt: Sie haben mit Ihrem Kind ausgemacht, dass es heute keine Süßigkeiten gibt. An der Kasse angekommen, wähnt sich Ihr Kleines aber im Schlaraffenland und fordert lauthals und mit Nachdruck wenigstens einen winzigen Schokoriegel. Sie bleiben konsequent, das Gebrüll wird lauter. Auf einmal beugt sich der ältere Herr hinter Ihnen in der Reihe zu Ihrem Kind.
 
Er möchte von ihm wissen, warum es denn so weinen muss. Schließlich wendet er sich Ihnen mit dem Satz zu: „So ein kleiner Schokoriegel hat doch noch keinem Kind geschadet.“ Am liebsten würden Sie selbst auch zu brüllen anfangen. „Eigentlich ganz verständlich, denn Sie sind auf Ihr Kind konzentriert. Außerdem ist die Situation an sich schon unangenehm für Sie, da die anderen Einkäufer Sie beobachten“, erklärt Engel.
 
Der Psychologe empfiehlt, sich zunächst bewusst zu machen, dass der Besserwisser die Situation aus einer anderen Perspektive heraus wahrnimmt als Sie selbst. Er weiß ja nicht, dass Sie mit Ihrem Kind vorher eine klare Absprache getroffen hatten. Engel rät daher, den Ärger herunterzuschlucken und höflich zu antworten.
 
„Danken Sie dem Herrn für seinen guten Ratschlag, und sagen Sie ihm, dass er die Situation nicht richtig einschätzen kann und Sie seinen Rat nicht befolgen werden.“ So signalisieren Sie, dass Sie konsequent bleiben und wissen, was Sie tun. Außerdem haben Sie auf den Besserwisser reagiert. „Das gibt einem selbst ein besseres Gefühl, als den einmischenden Kommentar einfach zu ignorieren“, sagt Engel.
 
Manchmal sind es gerade die anderen Mütter, die einem das Leben schwer machen. Ob in der Krabbelgruppe oder beim Babyschwimmen – es wird munter drauflos verglichen, was die Kinder schon können. Erziehungstipps machen die Runde, ob man will oder nicht. Mischt sich eine Mama besonders oft in die eigenen Angelegenheiten ein, verschließt man sich davor sowieso meistens und denkt sich seinen Teil.
 
Ist Ihnen das zu unbefriedigend, schlagen Sie eine andere Strategie ein: „Bedanken Sie sich für die Anregung, und sagen Sie, dass Sie darüber nachdenken werden“, sagt Engel. So verhindern Sie längere Belehrungen. Was auch funktioniert: vom Thema ablenken, indem man über etwas anderes spricht.
 
Und noch etwas kann laut Experten immer hilfreich sein, wenn Eltern sich über Besserwisser ärgern: Vielleicht schaffen Sie es ja, sich die Anregungen erst einmal wertfrei anzuhören. Vor lauter Ärger übersehen wir nämlich manchmal die positiven Aspekte. „Wenn sich jemand in die Erziehung einmischt, konfrontiert uns das mit einer anderen Wahrnehmung, was den Umgang der Eltern mit den Kindern angeht. Das kann auch bereichernd sein“, gibt Engel zu bedenken.
 
Miterziehung ist im Prinzip nicht per se schlecht: In den Großfamilien früher war es ganz normal, dass alle, die zusammenlebten, die Kinder großzogen. „Heute hat die Familie einen Exklusivitätscharakter, Miterziehung wird als negativ empfunden.“
 
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