Experten erklären, warum wir uns vielfach ungesund ernähren

Eigentlich sind die Deutschen gut informiert: Vor allem Frauen wissen viel über Nahrungsmittel und darüber, welches Essen gesund ist und welches uns eher schadet. Doch die Kenntnisse in der Praxis anzuwenden scheint schwer zu sein. Darauf weist zumindest die neueste Nationale Verzehrstudie (NVS II) hin, die das Max-Rubner-Institut im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz durchgeführt hat und an der rund 20.000 Deutsche im Alter zwischen 14 und 80 Jahren teilgenommen haben.

Die Ergebnisse sind ernüchternd. So gaben 87,4 Prozent der Teilnehmer an, viel zu wenig Gemüse zu essen; 59 Prozent erreichen auch nicht den von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfohlenen Tagesbedarf an Obst.
 
„Essen hat sehr viel mit Gewohnheit zu tun, weil es ein über viele Lebensjahrzehnte stabilisiertes Verhalten ist“, erklärt der Ernährungspsychologe Dr. Thomas Ellrott, Privatdozent an der Universität Göttingen. Doch warum nutzen die Bundesbürger ihr Wissen über die Ernährung nicht, um gesünder zu leben? Drei zentrale Gründe gebe es dafür, meint Ellrott.
 
Zunächst einmal sei es entwicklungsgeschichtlich tief im Menschen verwurzelt, möglichst viel energiereiche Nahrung aufzunehmen. Dieser Mechanismus sei durchaus sinnvoll, um für Zeiten der Nahrungsknappheit gewappnet zu sein. Doch heute, wo zumindest in den Industrieländern Nahrung im Überfluss zur Verfügung steht, ist die einst nützliche „Energievorsorge“ zu einem Nachteil geworden.
 
Der zweite Grund für Fehlernährung trotz besseren Wissens sei der Faktor Zeit. Ellrott: „Heute muss alles ganz schnell gehen. Über Essen wird deshalb nicht lange nachgedacht, sondern immer erst, wenn der Hunger kommt. Dann greift man zum zeitsparenden Fertigprodukt und zu Fast Food.“ Und schließlich zähle auch der Preis: Die meisten Menschen wollen nicht viel Geld für Lebensmittel ausgeben, meint Ellrott. Dabei unterliegen sie jedoch nicht selten dem Irrtum, es sei billiger, sich Fertigprodukte zuzubereiten, als sich aus frischen Zutaten etwas zu kochen.
 
Dabei sind die Vorteile einer ausgewogenen und vollwertigen Ernährung eindeutig und wissenschaftlich unbestritten. Die Versorgung mit den notwendigen Nährstoffen stellt nicht nur alle Körperfunktionen sicher, sondern macht uns auch fitter. „Schon das Frühstück ist ganz entscheidend dafür, dass unsere geistige Leistungsfähigkeit richtig in Gang kommt“, erklärt Dr. Helmut Oberritter, Ernährungswissenschaftler der DGE in Bonn.
 
„Kohlenhydrate sind Kraftstoff für das Gehirn, ebenso wichtig sind Vitamine und Spurenelemente sowie Proteine als Bestandteile unserer Gehirnzellen und als Bausteine für Botenstoffe.“ Insbesondere in Kombination mit regelmäßiger Bewegung kann durch eine ausgewogene Ernährung Übergewicht abgebaut und damit das Risiko für gefährliche Herz-Kreislauf-Erkrankungen drastisch gesenkt werden. Ballaststoffe, die vor allem in Vollkornprodukten und Gemüse stecken, spielen eine wichtige Rolle bei der Regulierung der Verdauung. Und schließlich steigern ein besseres Aussehen und eine schlankere Linie das Wohlbefinden – und fördern so auch die Gesundheit.
 
Müssen deshalb alle Vegetarier werden? „Nein“, winkt DGE-Experte Oberritter ab. Zwar gebe es verschiedene Studien, die Vegetariern eine bessere Ernährungsweise bescheinigen, aber wer sich mit Fleisch und den richtigen Erzeugnissen vollwertig ernähre, mache es nicht schlechter. „Vielleicht ernährt er sich sogar besser, weil auch in tierischen Produkten wichtige Nährstoffe stecken“, erklärt  der Experte. Sinnvoll sei es aber, sich zurückzuhalten beim Konsum von rotem Fleisch (Schwein, Rind/Kalb, Wild).
 
So gibt es Hinweise, dass der Verzehr größerer Mengen roten Fleisches das Darmkrebsrisiko erhöhen kann. Bio-Produkte verwendet, wer an die Schonung der Umwelt denkt und Wert darauf legt, dass die Nahrungsmittel frei von Rückständen sind. „Aber man kann sich auch mit konventionell erzeugtem Obst und Gemüse vollwertig ernähren“, sagt Oberritter.
 
Gesunde Ernährung bedeutet jedoch nicht nur die richtige Auswahl der Nahrungsmittel, sondern auch bewusstes Genießen. Ein strukturierter Tagesablauf mit geregelten Mahlzeiten ist ein erster Schritt dahin. Regelmäßig selbst mit ausgewählten Produkten leckere Gerichte zu zaubern macht nicht nur Spaß, sondern ist auch gesund.
 
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