Es fühlt sich an wie ein Infarkt, ist aber nicht so gefährlich

Professor Erland Erdmann, Leiter des Herzzentrums der Universitätsklinik Köln, erinnert sich gut an seinen ersten Fall: Bewaffnete Männer drangen in die Wohnung einer älteren Frau ein, fesselten sie und entführten ihr Enkelkind.

Danach wurde die Großmutter mit Verdacht auf Herzinfarkt in die Kölner Klinik eingeliefert. Doch die Ärzte fanden kein verschlossenes Gefäß wie bei einem Infarkt üblich. Vielmehr hatte die Entführung der Frau das Herz gebrochen.

Was der Volksmund gebrochenes Herz nennt, bezeichnen Kardiologen als „Broken-Heart-Syndrom“. Erste Berichte von „Pseudo-Herzinfarkten“ nach familiären Todesfällen, heftigem Streit oder schweren Unfällen gab es bereits vor 20 Jahren.

Das Muster war immer das gleiche: Ältere Frauen wurden mit heftigen Schmerzen in der Brust und Atemnot in die Klinik ein geliefert. Ihr EKG glich dem von Infarktpatienten. Bei der Katheteruntersuchung erwiesen sich die Kranzgefäße jedoch als unversehrt.

Ärzten aus Japan fiel eine merkwürdige Verformung der linken Kammer auf: Immer wenn sich das Herz zusammen zog, um Blut herauszupumpen, sah es wie ein dickbauchiger Krug mit engem Hals aus. In Japan verwendet man solche Gefäße als Tintenfischfallen – sie werden dort Tako-Tsubo genannt. Daher lautet ein anderer Name für das Leiden auch Tako-Tsubo-Kardiomyopathie.

Der Ausdruck Myopathie steht für eine Muskelerkrankung. Erland Erdmann erklärt, dass dabei die Muskelzellen völlig verkrampfen: „Sie entspannen nicht mehr, und die Zellmembranen reißen.“ Meistens sei die muskelreichere linke Herzkammer betroffen, erläutert Dr. Birke Schneider. Die Lübecker Kardiologin umschreibt das Leiden als eine Bewegungsstörung der Herzwand.

Schneider ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Leitende Kardiologische Oberärzte, die deutschlandweit Fälle des Broken-Heart-Syndroms untersuchte. Ihre Studie bestätigte, dass mehr als 90 Prozent der Betroffenen weiblich sind. Anders als in einem Kitschroman sind es aber nicht junge Frauen, denen das Herz bricht, sondern fast immer ältere jenseits der Wechseljahre.

Adrenalin schädigt die Herzmuskulatur

„Es muss einen Zusammenhang mit Östrogen geben“, vermutet Erdmann. Das weibliche Sexualhormon schwindet mit den Wechseljahren. Welche Rolle es bei der Erkrankung genau spielt, ist nicht bekannt. Fest steht: Im Akutfall ist die Menge an Stresshormonen zehnfach erhöht. Erdmann geht deshalb davon aus, dass die Überflutung mit Adrenalin die Schäden an der Herzmuskulatur verursacht.

Ärzte therapieren bevorzugt mit Betablockern – Gegenspielern der Stresshormone. In der Regel dauert es ein bis zwei Wochen, bis der Muskel sich wieder erholt. 90 Prozent der Patienten genesen vollständig. Dennoch sollten Betroffene den Vorfall nicht auf die leichte Schulter nehmen. Das Herz heilt zwar gut, doch in sieben bis zehn Prozent der Fälle geht es erneut „zu Bruch“.

Bildnachweis: Thinkstock/iStockphoto