Was tut den Adern gut? Was hilft bei Krampfadern oder Thrombosen? Hier gibt’s Antworten auf viele Fragen

Das menschliche Herz ist schon ein richtiger Kraftbolzen. Im Ruhezustand pumpt es rund fünf Liter Blut pro Minute durch die Arterien in den Körper, bei starker Anstrengung sogar bis zu 30 Liter. Das entspricht 7000 Litern am Tag oder etwa dem Fassungsvermögen eines kleinen Schwimmbeckens. Für diese Leistung verbraucht das Organ gerade einmal 70 bis 90 Kilokalorien – es arbeitet also höchst effektiv. Allerdings ist das Herz mit dieser Tätigkeit so ausgelastet, dass kaum noch Kraft für den Rücktransport übrig bleibt. Diese Aufgabe muss aber auch jemand erledigen, denn schließlich fließt das Blut ja in einem Kreislauf durch den Körper.

„Maßgeblich zuständig für den Rücktransport des Bluts vom Körper zum Herzen sind die Venen“, sagt Professorin Viola Hach-Wunderle, die in einer Gemeinschaftspraxis für Innere Medizin in Frankfurt/Main arbeitet. Angetrieben werden sie von einem präzise abgestimmten Zusammenspiel mehrerer Körperfunktionen. Daran beteiligt sind unter anderem Skelettmuskeln, das Zwerchfell und ein bisschen auch das Herz.
 
Ein aufwendiger Mechanismus, der jedoch nicht immer fehlerfrei arbeitet. Eine angeborene Venenklappenschwäche oder Funktionsstörungen der Transportmechanismen zum Beispiel setzen dem Venensystem vieler Menschen im Lauf der Jahre zu. Solange nur oberflächliche Venen betroffen sind – etwa durch Krampfadern – besteht meist keine akute gesundheitliche Gefahr. Gefährlich wird es allerdings, wenn im tiefen Venensystem Blutgerinnsel (Thrombosen) auftreten. „Solche Verengungen sind immer ein Notfall“, mahnt Professor Ulrich Hoffman vom Klinikum Innenstadt der Ludwig-Maximilians-Universität in München.

Warum das so ist, wie das Venensystem funktioniert und wie Sie Erkrankungen vorbeugen können, erklären Ihnen die folgenden Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Thema.
 
Wie ist das Venensystem eigentlich aufgebaut?
Es setzt sich zusammen aus feinen, netzartig aufgebauten Gefäßen, die das Blut im Gewebe aufnehmen und in die oberflächlichen Venen transportieren. Diese wiederum münden in die größeren Stammvenen, die schließlich durch mehrere Querverbindungen im tiefen Venensystem enden. Von hier aus geht es dann direkt zum Herzen. Dieses System umfasst rund 80 Millionen Adern – angefangen bei winzig kleinen, kaum sichtbaren Venolen bis hin zu den beiden großen Hohlvenen im Bauch.
 
Wieso lässt die Venenkraft bei vielen im Lauf des Lebens nach?
Bei vielen Menschen liegt eine angeborene Schwäche der Venenklappen oder -wände vor. Ihre Gefäße halten dem Druck des stetig durchströmenden Bluts nicht auf Dauer stand. Die Muskulatur erschlafft im Lauf der Jahre. Als Folge schließen die Venen, und damit auch deren Klappen, beim Pumpvorgang weniger gut. Venenleiden sind aber nicht unbedingt eine Alterserscheinung. Je nach Veranlagung können sie auch schon im jungen Erwachsenenalter auftreten.
 
Warum passiert das gerade in den Beinen so häufig?
Zwar kann ein Venenleiden prinzipiell überall im Körper auftreten, aber meist trifft es die Beine. „Hier ist der Druck sehr hoch, weil fast das gesamte Körpergewicht auf den Beinen lastet“, erläutert Viola Hach-Wunderle.

Was sind die ersten Anzeichen eines Venenleidens?
Harmlose Ausprägungen machen sich durch Besenreiser auf der Haut bemerkbar. Diese werden manchmal auch als „Miniatur-Krampfadern“ bezeichnet. Das trifft die Verhältnisse aber nicht richtig. Bei dieser Erscheinung handelt es sich um winzige, in der obersten Hautschicht verlaufende Venen mit etwas erweiterten Gefäßwänden. Sie haben keine Bedeutung für den Gesamtkreislauf und verursachen auch keine Beschwerden. Viele Betroffene empfinden sie allerdings als kosmetisch störend.

Wann handelt es sich tatsächlich um eine Krampfader?
Charakteristisches Merkmal für oberflächliche Krampfadern sind von außen sichtbare Schlängelungen der Venen. Sie treten vorwiegend in den Beinen und zunächst lokal begrenzt auf.
 
Sind Krampfadern gefährlich?
Solange die Ausstülpungen nur kleinere Abschnitte der Oberflächenvenen betreffen, stellen sie medizinisch gesehen kein Problem dar. Das kann sich aber bei einem Ausweiten des Leidens mit zunehmendem Alter ändern. Die in ihrer Funktion gestörten Venenabschnitte beeinträchtigen nach und nach immer mehr den Blutkreislauf. Bleibt dann eine Therapie aus, droht langfristig sogar ein offenes Bein. Wenn Krampfadern als Folge von Störungen in den tiefen Venen auftreten, müssen Ärzte sofort eingreifen. Das könnte auf eine gefährliche Thrombose hinweisen.

Müssen Krampfadern unbedingt behandelt werden?
Bei Symptomen wie Schwellungen, Schmerzen, Hautveränderungen oder Ekzemen sollten Betroffene auf jeden Fall einen Arzt aufsuchen. „Dieser sollte aber stets klären, ob die Beschwerden nicht eine andere Ursache haben, zum Beispiel vom Knie stammen“, sagt Ulrich Hofmann.

Was lindert die Beschwerden?
Venenmittel zum Einnehmen mit Extrakten aus Rosskastanie oder Rotem Weinlaub dichten die Venenwände ab und wirken so Wasseransammlungen in den Beinen entgegen. Sie eignen sich damit zur Ergänzung einer Kompressionstherapie. Kommt diese nicht infrage – etwa bei arteriellen Durchblutungsstörungen – sind Venenmittel zum Einnehmen die einzige Therapiemöglichkeit.
 
Welche Operationsverfahren gibt es?
Das Grundprinzip besteht darin, die defekten Venenabschnitte vom Kreislauf abzutrennen. Dafür stehen im Wesentlichen zwei Methoden zur Verfügung: zum einem das Herausholen der betroffenen Blutbahnen aus dem Körper durch eine Operation, zum anderen die Verödung der entsprechenden Bereiche. Beide sind mittlerweile Standardverfahren in der Medizin. Nach dem Eingriff bekommt der Patient für mehrere Wochen einen Kompressionsstrumpf angelegt.
 
Wichtig bei beiden Methoden ist, sich sofort nach dem Eingriff wieder ausreichend zu bewegen. Der Verlust der Venenabschnitte mit den Krampfadern schadet dem Kreislauf im Übrigen nicht. Andere Blutgefäße des Systems können den Ausfall problemlos ausgleichen. Dennoch achten Ärzte darauf, nur so wenige Venen wie nötig zu entfernen oder stillzulegen, denn die Gefäße stellen wertvolles Material dar für eine später eventuell notwendige Bypass-Operation.

Wie groß ist die Gefahr, die von Thrombosen ausgeht?
Kurz gesagt: groß. Je nach Lage solch eines Blutgerinnsels müssen Ärzte umgehend eingreifen. Die Thromben entstehen durch Entzündungen an der inneren Wand von Blutgefäßen. Löst sich dieser Pfropf und gelangt über das Herz in die Lunge, kann das zu einer Lungenembolie führen – ein akuter Notfall, der im schlimmsten Fall mit dem Tod endet. Dieses Risiko ist vor allem bei Thrombosen in den tiefen Venen des Beins hoch.
 
Unbehandelt beeinträchtigen Verstopfungen in den tiefen Venen aber auch dauerhaft den Blutkreislauf – mit weitreichenden Folgen. Unter der Mangelversorgung mit Blut kann beispielsweise die Haut leiden. Sie verfärbt sich nach einiger Zeit braun, verdickt und reagiert auf Druck mit Schmerzen. Ohne eine Behandlung droht die Entstehung eines Geschwürs, das sich bis zu einem offenen Bein entwickeln kann. Wer ein erhöhtes Risiko für Thrombosen hat – darunter fallen allgemein Patienten während einer Operation, aber auch Bettlägerige, Schwangere und Frauen, die die Pille nehmen – sollte also achtsam sein bei Symptomen, die Anzeichen für ein Blutgerinnsel sein könnten. Hierzu zählen Schwellungen und Wärmegefühl in den Beinen, eine gerötete und gespannte Haut sowie eindeutige Druckschmerzen.

Wie behandeln Ärzte eine Thrombose?
Meist beginnen Ärzte umgehend mit einer medikamentösen Behandlung. Zum Einsatz kommen Wirkstoffe, die das Blut verdünnen, darunter die beiden Substanzen Heparin und Phenprocoumon. Sie sollen das Risiko eines Gefäßverschlusses minimieren. Unterstützend lindern Kompressionsverbände und -strümpfe die Gefahr, dass sich ein Blutgerinnsel löst. Diesen Thrombus selbst behandeln Mediziner meist nicht. Üblicherweise baut der Körper diese Struktur im Lauf der Zeit um, und der Thrombus verliert dadurch seine Gefahr.

Wie kann ich einer Venenerkrankung vorbeugen?
Da Muskelarbeit einen entscheidenden Beitrag zum Bluttransport in den Venen leistet, sollte jeder seine Muskeln regelmäßig trainieren. Das muss nicht unbedingt im Fitness-Studio sein (es spricht allerdings nichts dagegen). Eine sehr einfache Übung, die jeder fast überall machen kann – sogar am Schreibtisch im Büro oder im Bett – besteht darin, die Füße mehrfach auf und ab zu bewegen. Das aktiviert die Muskeln im Sprunggelenk, also einen Pumpmechanismus der Venen. „Im Prinzip eignet sich fast jede Sportart, um einem Venenleiden vorzubeugen“, betont die Ärztin Hach-Wunderle. Hier lautet die Devise: Hauptsache bewegen.
 
Eine weitere Vorbeugemaßnahme klingt eigentlich einleuchtend, dennoch befolgt sie nicht jeder, der es müsste: Menschen, in deren Familie Krampfadern und Thrombosen bereits häufig auftraten, sollten sich frühzeitig untersuchen lassen. Mithilfe einer einfachen Ultraschalluntersuchung können Mediziner den Zustand der Venen innerhalb kurzer Zeit feststellen.
 
11.08.08, Apotheken Umschau, Bildnachweis: PhotoDisc / RYF