Beim Herstellen von Brot und Bier sind die Pilze nicht zu ersetzen. Zudem können sie Durchfallerkrankungen lindern

Kaum ein Bäcker kommt ohne Hefe aus. Bierbrauer benötigen sie als Ausgangsstoff neben Hopfen, Malz und Wasser, Winzer für die Weinherstellung. Sogar bei der Produktion von Biokraftstoff ist Hefe behilflich. Ohne zu wissen, worum es sich bei dem Treib- und Gärmittel handelt, haben vermutlich schon alte Völker wie die Ägypter Hefe zum Backen, Brauen und Keltern benutzt. Das Geheimnis um ihr wahres Wesen lüftet ein Blick durch das Mikroskop. Dann werden winzige Lebewesen sichtbar, kaum größer als Bakterien. Der Chemiker Justus Liebig beschrieb sie im 19. Jahrhundert als „kleine Tierchen mit Saugrüssel“. Heute zählen Biologen die Mikro­­organismen zu den niederen Pilzen.

Von den Winzlingen gibt es zahlrei­che Stämme mit unterschiedlichen Eigenschaften. Einige können Hautpilz verursachen, andere verderben Lebensmittel. Hefepilze sind in der Natur allgegenwärtig. Sie finden sich auf Pflanzen und Früchten, im Erdboden, Wasser und in der Luft. Ihre Sporen trägt der Wind überallhin. Die Kleinstlebewesen gedeihen auf unserer Haut und siedeln sich im Darm an.
Als besonders nützlich für die Lebensmittelherstellung erweisen sich die Zucker­hefen (Saccharomyces). In feuchter Wärme vermehren sie sich rasant, sobald sie ihren Energiestoffwechsel mit Kohlenhydraten versorgen können. Der Prozess heißt Gärung. Aufgeklärt hat ihn der französische Chemiker und Mikrobiologe Louis Pasteur im Jahr 1857. Bei dem Vorgang entstehen hauptsächlich der Alkohol Ethanol, auf den es beim Wein wie beim Bier ankommt, und das Gas Kohlenstoffdioxid, das Brot- und Ku­chen­teig aufgehen lässt.
Unter den Saccharomyces-Arten gibt es Spezialisten. Nach der Zusammensetzung der Nährlösung, in der die Hefen gezüchtet werden, unterscheidet man Back-, Bier- und Weinhefe. Gesund sind sie alle: Hefen sind ernährungsphysiologisch wertvoll, weil sie einen überdurchschnittlich hohen Anteil an B-Vitaminen und viel Eiweiß enthalten. Außerdem weisen sie ein güns­tiges Kalium-Natrium-Verhältnis auf. Diese Inhaltsstoffe sind wichtig für die Funktion des Nervensystems, des Muskelgewebes und des Immunsystems. Für schöne Haare und feste Fingernägel sorgt der Gehalt an Folsäure, Pantothensäure und Biotin. In abgetöteter Form sind Hefen als Nahrungsergänzungsmittel in der Apotheke erhältlich. Patienten mit Gicht und auf Hefe oder Schimmelpilze allergisch reagierende Menschen sollten die Präparate meiden.

In Arzneimitteln kommt die Art Saccha­romyces boulardii zum Einsatz. Sie dient der sanften Behandlung von Durchfallerkrankungen. Die Wirkungen sind laut Experten allerdings begrenzt. Möglicherweise klingen akute Durchfälle durch die Einnahme von Hefepräparaten einen Tag früher ab. Profitieren können Patienten von den Mitteln aber bei der Sanierung der Darmflora, zum Beispiel nach einer Therapie mit Antibiotika. Die Präparate unterstützen die Immunaktivität in der Schleimhaut und fördern die Tätigkeit von Verdauungsenzymen. Das alte Heilmittel hat auch eine  hochmoderne Seite: Die Pharma­industrie setzt genveränder­te Hefepilze zur Herstellung von Arzneistoffen ein.

Bildnachweis: Shotshop/Markus Mainka