Der dekorative Strauch gilt als bewährtes Naturheilmittel bei leichten Formen der Herzschwäche
Um den Weißdorn ranken sich zahlreiche Mythen. So soll der keltische Magier Merlin bis zum Ende der Welt unter einem Weißdornbaum schlafen, verzaubert von der schönen Fee Viviane, die ihm vorher seine Geheimnisse entlockt hatte. Als Schutzhecke sollte der dornenbewehrte Busch in früheren Zeiten Hexen und Dämonen abwehren.
Und eine christliche Legende besagt, dass Josef von Arimathäa, einer von Jesus’ Jüngern, im englischen Glastonbury seinen Wanderstab in die Erde steckte, woraus ein Weißdornbaum wuchs, der zweimal im Jahr – zu Ostern und Weihnachten – blühte.
Ohne „Wunderzugabe“ blüht der Weißdorn in den Monaten Mai und Juni. Die weißen Blüten machen den Baum oder Strauch durchaus dekorativ, verströmen aber einen nicht besonders wohlriechenden Duft. Diesen zahlreichen Blüten und seinen vielen langen und spitzen Dornen verdankt der zu den Rosengewächsen zählende Weißdorn auch seinen Namen.
Bis September reifen schließlich rote, den Hagebutten ähnelnde Früchte heran. Sie sind essbar, aber wegen ihrer mehligen Beschaffenheit nicht gerade als Delikatesse begehrt. Das besonders harte Holz des Weißdorns nutzten die Menschen früher zum Bau von Werkzeugen und Waffen. Für medizinische Anwendungen wurde der Strauch erst viel später entdeckt. „Seit dem 18. Jahrhundert empfahl man zwar Weißdornfrüchte gegen Durchfall und zur Blutstillung“, berichtet Dr. Sabine Anagnostou, Apothekerin und Pharmaziehistorikerin an der Universität Marburg. Doch noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts habe die Pflanze in der Arzneimittelkunde nur eine geringe Bedeutung besessen.
Die Blüten wurden zunächst als Mittel gegen Husten verwendet. Erst ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kamen Wissenschaftler der eigentlichen Heilkraft des Weißdorns auf die Spur – als Mittel gegen verschiedene Herzleiden. Heute gilt das in weiten Teilen Europas verbreitete Gewächs als eine der am besten untersuchten Arzneipflanzen und als wirksames Naturheilmittel zur begleitenden Behandlung bei beginnender Herzschwäche.
Forscher fanden heraus, dass die herzstärkende Wirkung auf bestimmten Inhaltsstoffen mit den zungenbrecherischen Namen „oligomere Procyanidine“ und „Flavonoide“ beruht. Diese steigern die Durchblutung des Herzmuskels und der Herzkranzgefäße und verbessern so die Sauerstoffversorgung des Pumporgans. Zusätzlich steigern die Wirkstoffe dessen Leistung und Schlagkraft. Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz sind somit bei Anstrengungen weniger kurzatmig und leistungsfähiger.
Mittlerweile haben auch zahlreiche Studien die positiven Wirkungen der Arzneipflanze belegt. In einer großen Metaanalyse, die im Januar 2008 veröffentlicht wurde, untersuchte die angesehene Cochrane Collaboration die Ergebnisse von zehn Studien zum Weißdornextrakt WS 1442. Dabei bestätigte sich der klare Vorteil des Extrakts gegenüber Placebos. Die Behandlung einer Herzschwäche gehört aber in jedem Fall in die Hand eines Arztes und darf keinesfalls eigenmächtig ohne dessen Wissen erfolgen.
Herzgesunde könnten von Weißdorn ebenfalls profitieren. So gibt es Hinweise, dass die Einnahme eines Extrakts der Pflanze auch das körperliche Wohlbefinden steigert. Ob diese Wirkung real ist oder in das Reich der Weißdorn-Mythen eingehen muss, werden umfangreiche Studien erst noch zeigen müssen.
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