HIV-Infizierte müssen dank moderner Therapie nicht mehr an der Immunschwäche sterben. Doch viele leiden an Spätfolgen

Zu Beginn der Epidemie, vor über 30 Jahren, gab es keine Rettung: Wer Symptome einer Infektion mit dem Humanen Immundefizienz-Virus (HIV) hatte, entwickelte schnell das Vollbild von Aids und starb daran. Das ist zum Glück lange vorbei – zumindest in Ländern mit moderner Gesundheitsversorgung. Mit der sogenannten hochaktiven antiretro­viralen Therapie (HAART), die vor etwa 20 Jahren eingeführt wurde, können Mediziner die Infektion in Schach halten und den tödlichen Zusammenbruch des Immunsystems in den meisten Fällen verhindern.
Doch die Rettung verläuft nicht reibungslos, wie Spezialisten über die Jahre erfahren haben: ­­Langzeitüberlebende und ihre Ärzte müssen sich in steigendem Maß mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Nervenschäden und Diabetes auseinandersetzen.

Vorzeitige Altersleiden
Die Lebenserwartung von HIV-Patien­ten scheint daher nach wie vor reduziert – trotz gegenteiliger Prognosen vieler Experten in jüngerer Vergangenheit. Heute sind es chronische „Altersleiden“ wie Diabetes, Osteopo­rose oder Gefäßkrankheiten, die Infizierte im ­statistischen Mittel knapp zehn Jahre eher ereilen.
Allerdings lässt sich dagegen mög­licherweise doch einiges tun, wie Wissenschaftler des Londoner ­University College vor kurzem aus der Auswertung ihres Datenmaterials folgerten. So sei ein Hauptgrund für höhere Sterbe­raten eine zu späte Diagnose mit entsprechend verzögerter Therapie.
Eine Einsicht, die in gewissem Umfang die HIV-Medikamente mit ihren Nebenwirkungen entlastet. Sie führen nämlich bekanntermaßen zu Fettstoffwechselstörungen und erhöhen das ­Risiko von Herzinfarkten und Schlaganfällen.

Auffallende Nebenwirkung
Diese Nebenwirkungen treten auf, spielen bei den neueren Medikamenten aber nicht mehr eine so große ­Rolle. Die Behandlung ist laut Experten einfacher und verträglicher ­geworden, als es zu Beginn der HAART-Ära der Fall war. Nicht selten führte damals die fettstoff­wechsel­aktive Wirkung des umfangreichen Pillen-Cocktails zum stigmatisierenden Krankheitsbild der Lipodyst­rophie: ­Die davon Betroffenen werden durch eine massive Umverteilung von Fettpols­tern gezeichnet.
Dennoch haben auch die Medikamente ihren ­Anteil an dem beschleunigten Alterungsprozess, den viele Patienten erleben: Gefäß- und Nierenschäden lassen den Organismus schneller altern. Doch auch das Virus selbst trägt wohl dazu bei. Die Veränderun­­gen, die es im Immunsystem Infizierter bewirkt, sollen ­bestimmte Formen von Lymphdrüsenkrebs begüns­tigen. Auch im Gehirn kann der Erreger Zellen schädigen und so den Alterungs­prozess beschleunigen – bis hin zur vorzeitigen Demenz.
Im Detail sind die Zusammenhänge noch nicht abschließend erforscht. Weiterer wichtiger Faktor: Viele Infizierte pflegen einen ungesunden Lebensstil, etwa mit hohem Nikotinkonsum. Wer das ändert, kann Spätfolgen entgegenwirken.

Bildnachweis: Jupiter Images GmbH/Bananastock