Der scharfe Wurzelspross hilft auf Reisen, lindert Verdauungsbeschwerden und Erkältungen

Aromatisch, würzig, kräftig. Mit seiner zitronigen Schärfe verleiht Ingwer vielen Lebensmitteln das gewisse Etwas – frisch geraspelt in Currys, als Pflanzenauszug in Ginger Ale (Ingwerbier) oder getrocknet und pulverisiert als Wurst- und Fleischgewürz.

Seit Jahrtausenden wird Ingwer aber nicht nur als exotisches Würzmittel, sondern auch als Heilpflanze verwendet – in der indischen und chinesischen Medizin ebenso wie in der westlichen Naturheilkunde. Verarbeitet werden dabei weder Stängel noch Blüten der in Südostasien heimischen Pflanze, sondern die unter der Erde wachsenden Teile  – das sogenannte Rhizom.
„Das ist keine Wurzel, sondern eine unterirdische Sprossachse mit ein paar kleinen Seitenwurzeln“, erklärt Dr. Helga Dietrich vom Institut für Spezielle Botanik der Universität Jena.

Das unter der Erde wachsende, geweihförmig verzweigte Rhizom hat es in sich. Es enthält ein Harz, das mit einer Vielzahl ätherischer Öle kombiniert ist. Diese steigern die Bildung von Magensaft und Speichel, fördern die Darmbewegungen und wirken außerdem galletreibend.

Daraus erklärt sich die günstige Wirkung des Ingwers bei Verdauungsbeschwerden aller Art. Besonders hilfreich ist die Heilpflanze bei Übelkeit und Erbrechen, denn ihre Inhaltsstoffe beeinflussen Rezeptoren im Magen-Darm-Trakt, die diese Gesundheitsstörungen hervorrufen.

Vor allem Menschen, denen im Zug, Auto oder Flugzeug schnell schlecht wird, profitieren von der Heilkraft des Exoten. „Zur Verhütung der Symptome der Reisekrankheit empfehle ich meinen Patienten die Einnahme von Ingwer-Extrakt“, bestätigt Professorin Karin Kraft, Direktorin des Lehrstuhls für Naturheilkunde an der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin der Universität Rostock. Zwei bis vier Gramm pro Tag reichen aus, um Übelkeit oder Erbrechen gegenzusteuern.

Ingwer-Präparate aus der Apotheke eignen sich besonders für unterwegs oder für all jene, die die ätherischen Öle und Scharfstoffe des exotischen Gewächses nicht vertragen oder seinen Geschmack nicht mögen. Doch auch frisch verzehrt entfaltet die Heilpflanze ihre Wirkung – zum Beispiel in dünne Scheibchen geschnitten als Zutat eines Erkältungstees.

„Einige Inhaltsstoffe des Ingwers töten Bakterien, Pilze und unserer Erfahrung nach auch Viren ab“, sagt Helga Dietrich. Seine wärmenden Eigenschaften machen ihn außerdem zu einem wirkungsvollen Helfer gegen Erkältungsbeschwerden wie Husten, Heiserkeit und Halsschmerzen. Dietrichs persönliches Rezept für einen wohltuenden Heiltee: ein zwei Zentimeter langes Stück Ingwer schälen und klein schneiden, mit einer Handvoll Zitronengras in eine Kanne mit heißem Wasser geben und den Tee über den Tag verteilt trinken.

Karin Kraft schwört ebenfalls auf die durchblutungsfördernde Wirkung der Pflanze: „Ingwertee ist bei Kältegefühl ideal zum Erwärmen.“ Zur äußeren Anwendung – etwa bei chronischen rheumatischen Beschwerden – haben sich in ihrer Ambulanz für Naturheilverfahren Ingwerwickel bewährt. „Die intensive Wärmewirkung dämpft die Aktivität der schmerzleitenden Rezeptoren“, sagt Kraft. Massagen mit Ingweröl lindern Verspannungen.

Weil Ingwer die Durchblutung steigert, sind sein regelmäßiger Verzehr und die Einnahme von Ingwer-Präparaten bei Bluthochdruck nicht zu empfehlen. Seine galletreibende Wirkung macht ihn auch für Menschen mit Gallensteinen tabu. Als Mittel gegen Übelkeit und Erbrechen in der Schwangerschaft ist Ingwer umstritten, weil die Wirkmechanismen einiger Inhaltsstoffe nicht vollständig geklärt sind. Schwangere sollten Ingwer-Präparate deshalb nur nach Rücksprache mit ihrem Arzt verwenden.
 
Bildnachweis: Jupiter Images GmbH/Ablestock