Wer auf die Stiche von Bienen oder Wespen allergisch reagiert, sollte sich immunisieren lassen

Das junge Glück war perfekt: frisch vermählt, das erste Kind unterwegs. Doch ein Wespenstich zerstörte den Traum vom unbeschwerten Familienleben. Der werdende Vater verlor wenige Minuten nach dem Stich das Bewusstsein, der Kreislauf brach zusammen. Als der Notarzt 15 Minuten später eintraf und ihn wiederbelebte, war das Gehirn schon so beeinträchtigt, dass geistige und körperliche Schäden blieben. 

Der damals 34-Jährige leidet an einer Allergie gegen Wespengift. Auf das Sekret, das Wespen, Bienen, Hornissen und Hummeln beim Stechen absondern, reagieren nach Angaben von Fachärzten mehr als eine Million Menschen in Deutschland allergisch. Jedes Jahr sterben 20 bis 30 Personen in der Bundesrepublik an den Folgen eines Stichs.
 
Nicht immer ist eine allergische Reaktion die Ursache. Bei Stichen in den Mund oder Rachen kann die Schwellung so stark sein, dass auch für Nicht-Allergiker Erstickungsgefahr besteht.
 
„Wenn sich aber nach einem Bienen- oder Wespenstich am ganzen Körper Juckreiz entwickelt, typischerweise in den Achselhöhlen, im Genital- und Analbereich, ist das ein Alarmsignal“, erläutert Professor Thomas Fuchs, Allergologe am Universitätsklinikum Göttingen. Auch Brennen und Jucken im Mund und Rachen sowie an Handflächen und Fußsohlen, Nesselfieber, Schnupfen mit heftigem Niesen sowie Luftnot weisen auf eine allergische Reaktion hin – und sind ein Grund, dringend einen Facharzt aufzusuchen. Denn schon der nächste Stich könnte lebensbedrohliche Folgen haben.

Eine Blutuntersuchung auf spezifisches Immunglobulin E (IgE) gegen Bienen- oder Wespengift gibt Hinweise auf eine allergische Reaktion. Das Immunsystem bildet diese Antikörper, wenn es sich schon einmal mit dem Gift von Bienen oder Wespen auseinandergesetzt und möglicherweise allergisch reagiert hat. Zusätzlich führt der Arzt einen Hauttest durch, bei dem Quaddeln und Rötung zeigen, welches Gift die Symptome auslöst. Oft wissen Betroffene nicht, ob sie von einer Biene oder Wespe gestochen wurden.
 
„Patienten, die allergisch auf das Insektengift reagieren, sollten sich mit einer spezifischen Immuntherapie behandeln lassen“, rät Fuchs. Sie allein schützt vor der gefährlichen Sofortreaktion, dem allergischen Schock, bei dem sich in Sekundenschnelle lebensbedrohliche Symptome wie Atemnot und Kreislaufversagen entwickeln. Umso bedauerlicher finden es Fachärzte, dass sich nur rund zehn Prozent der Betroffenen dieser Therapie unterziehen.

Das Verfahren ist allerdings aufwendig: Drei bis fünf Jahre lang bekommen die Patienten in regelmäßigen Abständen das Gift in allmählich steigender Dosis gespritzt. Die Therapie beginnt mit einer kurzen Einleitungsphase, die meist stationär in der Klinik stattfindet. Anfangs erfolgen die Injektionen zur Dosissteigerung in kurzen Abständen. Um die Dosis zu erhalten, reichen dann Impfungen im Abstand von vier bis sieben Wochen. Mindestens 90 Prozent der Patienten, welche die mehrjährige Behandlung zu Ende bringen, profitieren von einem lang anhaltenden Schutz. Im Lauf der Jahre kann er bei einem Teil der Immunisierten allerdings wieder nachlassen.
 
Das Verfahren eignet sich auch für Kinder. „Sie können ab dem sechsten Lebensjahr, wenn nötig früher, mit einer Immuntherapie behandelt werden“, sagt Professor Albrecht Bufe aus Bochum, Vorsitzender der Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin (GPA).

Für manche Menschen kommt die  Immuntherapie jedoch nicht infrage, zum Beispiel weil sie Angst vor Spritzen haben. Umso wichtiger ist es für sie, immer Notfallmedikamente bei sich zu haben. Ein Set besteht aus Adrenalin zum Spritzen sowie Kortison und einem Antihistaminikum, beides in flüssiger Form, damit Betroffene die Mittel auch bei Schwellungen im Mund noch nehmen können. „Wir trainieren die Patienten so, dass sie diese Notfallsituation erkennen und die Medikamente richtig anwenden“, sagt Fuchs. Damit können sie die Zeit bis zum Eintreffen des Notarztes überbrücken.
 
So senken Sie das Risiko eines Insektenstichs:

  • Eine Biene naht, eine Wespe sitzt am Tellerrand: Bewahren Sie Ruhe. Hastige Bewegungen und dunkle Kleidung wirken auf die Tiere bedrohlich und lassen sie eher zustechen.
  • Getränke im Freien stets abdecken. Trinken Sie nicht direkt aus Dosen oder dunklen Flaschen.
  • Laufen Sie nicht barfuß über Wiesen und Wege. Insektengitter an Fenstern und Türen schützen zu Hause.
  • Wespennester in Wohnungsnähe entfernen lassen.
  • Keine Parfüms und duftenden Kosmetika benutzen.
  • Keine weite Kleidung tragen, darin können sich Insekten verfangen. In Sandalen und Flipflops geraten die Tiere leicht unter die Fußsohle.

 
Bildnachweis: PhotoDisc/ RYF