Alle neun Jahre ernten Bauern die Borke der imposanten Bäume. Sie ist ein begehrter Rohstoff für Fußböden – und Weltraumfähren

Was haben die Kathedrale Sagrada Familia in Barcelona, das Spaceshuttle der NASA und eine Flasche Château Lafite Roth­schild gemeinsam? Kork. In dem Bauwerk des spanischen Architekten Antoni Gaudí wandeln die Besucher über 2.000 Quadratmeter Korkboden, der Hitzeschild des US-Weltraumtransporters war mit einem speziellen Kork­gemisch beschichtet, und im Hals einer Flasche des edlen Bordeaux-Weins steckt ein Stopfen aus der Borke der Korkeiche.

Über Hunderte von Jahren waren Korken fast der alleinige Verschluss für Wein-, Sekt- und zum Teil auch Spirituosenflaschen. Seit der Jahrtausendwende ging der Anteil in Deutschland wegen der billigeren Kunststoff- und Schraubverschlüsse auf rund ein Drittel zurück. Keine gute Entwicklung.

Allein in Portugal geben die Kork­eichen Zigtausenden von Landbewohnern Arbeit, die 7.500 Quadratkilometer gro­ßen Wälder speichern das Grundwasser für die Versorgung Lissabons und anderer großer Städte. In der westlichen Mittelmeerregion sind sie der Überlebensraum für bedrohte Tier­arten wie den Iberischen Luchs und den Berberhirsch, für Kaiseradler und Kraniche.

Das Besondere an der Korkeiche ist ihre Borke. Während sie bei der Birke oder Platane aufreißt, wenn der Baum größer wird, wächst der elas­tische Kork mit. Im Alter von zwölf bis 15 Jahren können die Bäume erstmals geschält werden. Der dabei gewonnene „männliche“ Kork, noch sehr ungleich­mäßig gewachsen, wird geraspelt und in Form gepresst, etwa zu Isoliermatten.

Nach der Ernte sieht man weithin das rotbraune Kambium, die Wachstumsschicht, an den Stämmen und den unteren Enden der dicken Äste. Darauf bildet sich langsam eine neue, jetzt ebenmäßige elas­tische Borkenschicht: der weibliche Kork. Etwa alle neun Jahre trennen ihn die Arbeiter mit axtähnlichen Werkzeugen wieder präzise vom Kambium.

Die Industrie hat – zum Glück für Korkbauern und Umwelt in Portugal und den anderen Anbauregionen im westlichen Mittelmeerraum – neue Anwendungsgebiete erschlossen. Eine wahre Renaissance erleben seit einiger Zeit Korkfußböden. Es gibt sie in vielen Farben und mit den unterschiedlichsten Dekoren – von der Kieselsteinoptik bis zur imitierten Holzmaserung. Weil die Korkschicht Schritte elas­tisch abfedert, schont der Belag die Gelenke. Bei Stürzen mildert er das Verletzungs­risiko. Die Böden lassen sich hygienisch reinigen und sind ideal für Al­lergiker, weil sie ohne Lack und chemische Lösungsmittel auskommen.

Zudem ist Kork ein wertvoller Recyclingstoff. Zu Hause gesammelte und beim Wertstoffhof abgegebene Korken werden je nach Qualität zu Dämmmaterial, Pinnwänden oder auch Zylinderkopfdichtungen für Modellflugzeuge verarbeitet. Vorher werden sie in sozialen Einrichtungen sortiert. Eine der größten ist das Epilepsiezentrum der Diakonie Kehl am Rhein, Ortsteil Kork.

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