Die Chemotherapie hilft gegen die tückische Krankheit, doch sie belastet oft. Wie Sie besser damit klarkommen

Sie ist für Krebspatienten Rettungsanker und Schreckgespenst zugleich: Eine Chemotherapie hilft zwar, Krebsgeschwülste in Schach zu halten oder zu stoppen. Doch jeder Tropfen des Zellgifts, das durch die Adern fließt, kann auch gesundes Gewebe angreifen. Deshalb fallen bei einer Chemo die Haare aus, leidet die Haut oder müssen sich Patienten übergeben. „Viele Kranke fühlen sich durch die Chemo erst so richtig krank“, bedauert Dr. Eva Kalbheim.
 
Doch die Expertin von der Deutschen Krebshilfe in Bonn macht Mut. „Nicht jede Chemotherapie belastet automatisch“, sagt sie. „Wenn Nebenwirkungen auftreten, kann man gegen die meisten etwas tun.“ Ob Müdigkeit, Erbrechen oder Haarausfall, der Arzt hat Möglichkeiten, die Beschwerden zu mildern. Auch als Patient sind Sie den Nebenwirkungen nicht hilflos ausgeliefert. Probieren Sie aus, was Ihnen während der aggressiven Therapie gut tut.
 
Keine Chance der Übelkeit
Es gibt Tumorkranke, denen bereits übel wird, wenn sie an die Therapie nur denken oder eine Infusionsflasche sehen. Brechreiz und Erbrechen gehören zu den häufigsten unangenehmen Begleiterscheinungen der Chemo, „aber es gibt inzwischen sehr gute Medikamenten dagegen“, erklärt Eva Kalbheim von der Deutschen Krebshilfe. Je nach Therapie verordnen Onkologen vorbeugend oder begleitend zur Chemotherapie Wirkstoffe, die den Brechreiz unterdrücken.
 
Krebskranke können auch selbst etwas tun, um die Übelkeit zu lindern. Eine Tasse Ingwer- oder Kamillentee wirkt beruhigend auf den Magen-Darm-Trakt, frischen Geschmack im Mund bringen Zitronen- oder Pfefferminzbonbons, als wohltuend empfinden viele den Duft von Zitronenaroma oder Lavendelöl (Duftlampen). Wer sich mental gegen die gefürchtete Nebenwirkung wappnen will: Ablenkung und Entspannung sind hier die besten Strategien. Eine CD mit der Lieblingsmusik, ein fesselnder Roman oder das Gespräch mit der besten Freundin lassen quälenden Gedanken weniger Raum.
 
Wieder mit Lust essen
Übelkeit und Erbrechen verleiden Chemopatienten häufig das Essen. „Sie sollten nur das essen, worauf sie Appetit haben“, rät die Krebsexpertin aus Bonn – allerdings sollte es nicht gerade das Lieblingsgericht sein. Zu groß ist die Gefahr, dass es später mit der belastenden Chemo verknüpft wird. Vor Beginn der Therapie sollten besser keine kalorienreichen Speisen auf dem Menüplan stehen. Zwieback oder Gemüsebrühe sind eine bessere Alternative. Auch während des Therapiezyklus vertragen die Kranken leichte Mahlzeiten erfahrungsgemäß am besten.
 
Wer unter Appetitmangel leidet, kann auch seinen Apotheker zurate ziehen: Zubereitungen wie etwa Pepsinwein können den Appetit steigern. Auf dem Ernährungsplan sollte Wasser, Saftschorle oder Tee nicht fehlen. „Reichlich trinken nach der Chemo ist wichtig, um die Ausscheidung des giftigen Medikaments zu fördern“, sagt Eva Kalbheim.
 
Sich weiblich fühlen
Haarausfall gehört mit zu den gefürchtetsten Nebenwirkungen einer Chemotherapie. Besonders Frauen belastet er psychisch stark. „Es bedeutet für viele den Verlust ihrer Weiblichkeit“, beklagt die Krebsexpertin Kalbheim. Nicht nur die Kopfhaare können ausfallen. Je nach Art und Dauer der Chemo können auch Augenbrauen, Wimpern und Körperbehaarung beeinträchtigt sein.
 
Krebsexperten empfehlen, sich bewusst vor Beginn des Therapiezyklus mit dieser schmerzlichen Erfahrung auseinanderzusetzen. „Es tröstet, dass die Haare unmittelbar nach dem Ende der Chemo wieder nachwachsen. Manchmal schöner als vorher“, ermutigt Dr. Kalbheim. Unterstützung in solchen Fragen bieten auch Psychologen, die sich auf den Umgang mit Krebskranken spezialisiert haben (Psychoonkologen).
 
Um sich besser an den Verlust der Haare zu gewöhnen, schneiden sich manche Kranke vor Beginn der Therapie die Haare kurz. Nimmt der Haarausfall zu, verbergen viele ihre nackte Kopfhaut unter einer Perücke. Im Fachhandel sind Echt- oder Kunsthaarperücken erhältlich, Krebskranke können in Spezialgeschäften ausprobieren, welcher Haarersatz am besten zu ihnen passt. Die Krankenkasse übernimmt die Kosten. Eine Alternative zu Perücken sind Hüte, Mützen oder Tücher, manche Patienten zeigen sich aber auch bewusst mit Glatze in der Öffentlichkeit. Wenn die Chemo Wimpern oder Augenbrauen in Mitleidenschaft gezogen hat: In speziellen Schminkkursen können Patienten lernen, die Behandlungsfolgen zu kaschieren.
 
Starke Abwehr
Eine Chemotherapie schwächt die Körperabwehr stark, jede kleine Schnittwunde oder jeder aufgekratzte Mitesser in der Haut kann für Krebskranke zur ernsten Bedrohung werden. Deswegen ist es wichtig, bei Entzündungen gleich den Arzt zu konsultieren. Kontrollieren Sie entsprechend der Empfehlung Ihres Arztes täglich Ihre Körpertemperatur, bei Fieber sollten Sie ihn sofort aufsuchen.

 
Ärztlichen Rat sollten sich Krebskranke einholen, wenn sie sich impfen lassen. Ebenso wichtig ist, sich regelmäßig die Hände zu waschen, besonders vor und nach dem Essen sowie nach Toilettengängen. Vorsicht ist bei Hausarbeiten wie etwa Gemüseschneiden geboten, hier besteht Verletzungsgefahr. Krebskranke Männer sollten statt Rasierklinge lieber einen Rasierapparat benutzen. Und ein Tipp für Gartenfreunde: Feste Handschuhe, die vor Stacheln schützen, sind bei der Arbeit im Grünen ein Muss.
 
Gesund im Mund
Die Schleimhäute in Mund und Rachen können durch eine Chemo austrocknen und sich entzünden – was für Krebskranke eine besondere Gefahr bedeutet, da ihr Immunsystem stark geschwächt ist. Eine sehr sorgfältige Mundhygiene ist daher wichtig. Eine weiche Zahnbürste schützt vor Verletzungen, tägliche Mundspülungen mit Salbei oder Kamille beruhigen bei entzündeter Schleimhaut.
 
Bei einem wunden Gefühl im Mund behelfen sich viele Patienten und lutschen Eiswürfel, um den Schmerz zu betäuben. „Aber man sollte aufpassen, dass das Eis nicht an der Schleimhaut festklebt und sie verletzt“, warnt Eva Kalbheim. Um die Mundschleimhaut nicht unnötig zu reizen, empfiehlt es sich, während eines Therapiezyklus nicht zu oft scharf gewürzte Speisen oder Gerichte mit Zitrusfrüchten zu essen. Auch auf heiße Getränke sollte man während der Chemo verzichten, da sie die empfindliche Mundschleimhaut angreifen.

 
Wach durch den Tag
Schlapp, müde, unlustig. Bis zu 80 Prozent der Krebskranken schleppen sich so durch den Tag. Als Fatigue-Syndrom bezeichnen Krebsärzte diese Form der Müdigkeit bei Tumorleiden. „Aber sie ist kein unabwendbares Schicksal“, betont Dr. Jens-Ulrich Rüffer von der Deutschen Fatigue-Gesellschaft in Köln. Steckt hinter der Müdigkeit eine Blutarmut, sollten Patienten ihren Arzt nach möglichen Therapien fragen. Auch regelmäßiger und moderater Ausdauersport hilft aus dem seelischen und körperlichen Tief.

Zwar ist es verständlich, wenn Fatigue-Kranke sich tagsüber am liebsten auf dem Sofa ausruhen möchten. Um die quälende Abgeschlagenheit aber besser zu überwinden, raten Experten, den Tag bewusst zu strukturieren. Das tägliche Nickerchen sollte maximal eine Stunde dauern. Auch wer sich morgens aus dem Bett quält – besser ist es, gleich aufzustehen, und zwar jeden Tag zur gleichen Zeit. Wer das nicht schafft: Ein Wecker mahnt zur rechten Zeit.
 
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