Naht ein Sturmtief oder eine Warmfront, reagiert der Körper oft empfindlich. So wappnen Sie sich

Sturmböen, Schneetreiben, Graupelschauer und plötzlich strahlender Sonnenschein – der April gilt, was das Wetter betrifft, als launisch. Offenbar zu Unrecht: „Im April ist das Wetter nicht unbeständiger als im März oder Mai“, sagt Professor Gerd Tetzlaff vom Institut für Meteorologie an der Universität Leipzig. „Was uns zu schaffen macht, ist der Wechsel zwischen fast noch winterlichen und frühsommerlichen Temperaturen.“ Im April seien die Menschen schon auf Frühling eingestellt. „Wenn dann plötzlich der Winter zurückkehrt, reagieren viele empfindlich“, erläutert Tetzlaff.

Dr. Eva Wanka, Meteorologin am Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität München, erklärt: „Im Frühjahr und Herbst wechselt das Wetter in kurzen Zeitabständen. Viele haben Schwierigkeiten, sich an die immer wieder veränderte Situation anzupassen.“
„Auch ich neige bei bestimmten Wetterlagen zu Kopfschmerzen“, schmunzelt Dr. Paul Becker, Leiter der Abteilung Klima- und Umweltberatung beim Deutschen Wetterdienst (DWD) in Offenbach. Kritisch für Migräne- und Kopfschmerzpatienten ist vor allem der Übergang zu wärmerem Wetter. „Wir unterscheiden fünf verschiedene Wetterlagen, die unterschiedlichen Einfluss auf die Befindlichkeit haben“, erklärt der Meteorologe.

Eine stabile Hochdrucklage wirkt sich in allen Bereichen günstig aus.  „Kritisch sind die Phasen, in denen sich die eigentliche Wetteränderung vollzieht“, erklärt Wanka. Vor allem die Kaltluftzufuhr vor einem anrückenden Tief, aber auch die Warmluftzufuhr haben Einfluss auf die Gesundheit. „Das Wetter macht jedoch nicht krank“, betont Wanka, „sondern greift an Schwachstellen im Körper an und verstärkt bestehende Krankheitssymptome.“

Da kalte Luft die Bronchien verengt, leiden zum Beispiel Asthmatiker bei feuchtkaltem Wetter verstärkt an Beschwerden. Auch Bluthochdruckpatienten vertragen kaltes Wetter schlecht: „Die Gefäße ziehen sich zusammen, was den Blutdruck erhöht“, sagt Wanka. „Menschen mit niedrigem Blutdruck bekommt kälteres Wetter deshalb meist gut.“

Das unmittelbare Ansprechen auf Hitze oder Kälte bezeichnen Experten als Wetterreaktion. Wetterfühlige spüren die Auswirkungen jedoch lange vor dem eigentlichen Umschwung. Über die Ursachen zerbrechen sich Medizin-Meteorologen seit Jahrzehnten die Köpfe. Derzeitiger Erklärungsfavorit sind niederfrequente Luftdruckschwankungen, die ein normales Barometer nicht registriert. Sie entstehen, wenn sich unterschiedliche Luftmassen aneinander reiben, und sie eilen der sichtbaren Wetteränderung oft einige Tage voraus.

Um die Theorie zu untermauern, wertete Wanka die Tagebücher von 33 wetterfühligen Probanden aus, die über das Auftreten von Kopfweh, Migräne, Narben- und Phantomschmerzen Buch geführt hatten. Diese Aufzeichnungen verglich sie mit den Luftdruckschwankungen. „Wir stellten Zusammenhänge zu verschiedenen Frequenzbereichen fest“, berichtet sie, „die individuell sehr unterschiedlich waren.“

Die Medizin-Meteorologen haben recht konkrete Vorstellungen davon was die feinen Luftdruckschwankungen im Körper bewirken. „Sie verursachen möglicherweise Störungen an den Barorezeptoren in der Hauptschlagader, welche Herzfrequenz und Blutdruck regulieren. Das zieht unterschiedliche Fehlfunktionen nach sich“, erklärt Wanka. Um dies eindeutig zu beweisen, müssten die Forscher künstlich niederfrequente Luftdruckschwankungen in einer Druckkammer erzeugen. „Solche Versuche sind jedoch aufwendig und teuer“, bedauert sie.
 
Auch die sogenannten Sferics sind im Visier der Wetterforscher. Dabei handelt es sich um schwache elektromagnetische Impulse, die bei Gewittern entstehen und sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten. Vor einigen Jahren hatten Psychologen der Universität Gießen nachgewiesen, dass künstlich erzeugte Sferics die Gehirnströme verändern, wobei wetterfühlige Probanden besonders stark reagierten. Wie Sferics im Körper wirken, ist bislang aber unklar. „Letztlich bringt uns das auch nicht weiter“, meint Paul Becker vom DWD.

Für das Heer der Wetterfühligen erstellt seine Abteilung medizin-meteorologische Informationen wie UV- und Hitzewarnungen oder die aktuelle Pollenflugvorhersage. Täglich aktualisierte Biowetterprognosen weisen darauf hin, wer wann mit welchen Problemen zu rechnen hat. „Diese Hinweise beruhen auf jahrhundertelangen Erfahrungen“, erklärt Becker, „und ermöglichen es den Betroffenen, ihren Tagesablauf dem Wetter anzupassen.“ Wanka bestätigt: „Für Menschen, die mit ihrer Krankheit gut umgehen können, sind Biowetterprognosen hilfreich.“ So können Rheumatiker bei ungünstiger Wetterlage Tätigkeiten verschieben, die sie strapazieren.
 
Wie stark Wetterfühlige reagieren, hängt nicht nur von der aktuellen Wetterlage, sondern auch von den klimatischen Bedingungen in der Region ab.

Der Deutsche Wetterdienst hat für ganz Deutschland eine Bioklimakarte erstellt. „Daraus kann man ablesen, ob in einer Region mit verstärkter Wärmebelastung oder eher mit Kältestress zu rechnen ist“, erklärt Becker. Am wärmsten ist es im oberen Rheingraben, am kältesten in den Alpen.

Neben der Durchschnittstemperatur spielt die Stabilität des Klimas eine Rolle. „In der norddeutschen Tiefebene etwa sorgen häufiger starke Winde für unbeständiges Wetter“, sagt Wanka. Faustregel: Je weiter weg vom Atlantik eine Region liegt, umso verträglicher ist dort das Klima. Für Wetterfühlige mit besonderem Leidensdruck bietet der DWD gegen eine Gebühr von etwa 180 Euro eine Wohnortberatung an. „Die Betroffenen füllen mit ihrem Arzt einen Fragebogen aus, anhand dessen wir ein Gutachten mit individueller Empfehlung erstellen“, sagt Becker.

Wer nicht gleich umziehen will, kann es mit einer Klimakur versuchen. „Heilklimatische Kurorte müssen ein therapeutisch anwendbares Bioklima und eine besonders gute Luftqualität vorweisen“, erklärt Becker, dessen Abteilung auch Klimagutachten für Kurorte erstellt. Das raue Reizklima an der Nordsee lässt sich durchaus therapeutisch nutzen: „Zunächst verschlechtern sich die Beschwerden“, erklärt Dr. Heinz Leuchtgens, Präsident des Kneippärztebunds. „Das trainiert die Anpassungsfähigkeit des Körpers.“

Bei Wetterfühligkeit helfe letzten Endes nur eins: sich dem Wetter verstärkt auszusetzen. „Betroffene sollten sich viel an der frischen Luft bewegen und bei geöffnetem Fenster schlafen“, rät Leuchtgens. Auch Kneipp’sche Güsse, Waschungen und Bäder härten ab. „Bei wechselwarmen Wasseranwendungen wirken Druck, Wärme und Kälte auf den Körper“, sagt der Experte. „Das trainiert die Regulationsmechanismen, wodurch ein zu hoher oder zu niedriger Blutdruck positiv beeinflusst wird.“ Den gleichen Effekt haben Saunabäder. „Und bei Kreislaufbeschwerden“, weiß Leuchtgens, „hilft oft schon ein großes Glas Wasser, das das Gefäßsystem wieder auffüllt und so die Blutzirkulation verbessert.“

Vier Wetterlagen beeinflussen das körperliche und psychische Wohlbefinden. Die fünfte, „indifferente“ Wetterlage (Wetterberuhigung, schwach ausgeprägtes Zwischenhoch) hat wenig oder gar keinen Einfluss:  

Zentrum eines Tiefs
Im Zentrum eines Tiefdruckgebiets häufen sich Herz- und Atemwegsprobleme, rheumatische Beschwerden und Phantomschmerzen. Das Allgemeinbefinden ist beeinträchtigt.  

Kaltfront
Der Zustrom kalter Luft führt zu einem raschen Temperaturabfall, der besonders Rheumatiker, Herz-Kreislauf-Kranke und Asthmapatienten belastet.

Stabiles Hoch
Hochdruckwetter wirkt günstig auf Körper und Psyche – vor allem bei Herzerkrankungen und niedrigem Blutdruck. Im Sommer eventuell hohe Wärmebelastung.

Warmfront
Schwülwarmes Wetter verursacht Kopfschmerzen und Migräne und wirkt ungünstig bei Herz- und Lungenerkrankungen. Das Herzinfarkt- und Unfallrisiko steigt.   

Hilfe aus der Apotheke

Kopfschmerzen
Auf die Schläfen getupft, lindern Pfefferminz- und Eukalyptusöl leichtere Beschwerden. Stärkere Schmerzen mindern Acetylsalicylsäure, Paracetamol, Ibuprofen und Naproxen.

Kreislaufbeschwerden
Mit einem Stück Würfelzucker eingenommen, stabilisieren pflanzliche Tropfen mit Kampfer und Weißdornbeeren-Extrakt den Kreislauf. Bei niedrigem Blutdruck wirken Präparate mit Etilefrin. Wichtig: nicht ohne Rücksprache mit dem Arzt einnehmen!

Konzentrationsstörungen
Laut einer aktuellen Studie helfen Naturheilmittel mit Melissenextrakt bei wetterbedingten Beschwerden wie Konzentrationsstörungen, Unruhe, Müdigkeit und Gereiztheit.
 
Apotheken Umschau, Bildnachweis: PhotoDisc