Trotz intensiver Forschung bleiben Ärzte auf Blutspenden angewiesen

Obwohl zunehmend mehr Patienten – vor allem während Operationen und Krebstherapien – auf Blutkonserven angewiesen sind, bleibt die Zahl der Blutspender in Deutschland nahezu unverändert. Krankenhäuser und Arztpraxen benötigen täglich 15.000 Blutkonserven. Gespendet werden pro Jahr jedoch nur etwa fünf Millionen Einheiten, das entspricht knapp 14.000 am Tag.

Künstlicher Blutersatzwäre da eine willkommene Alternative. Doch bei der Suche nach einem Mittel, das die wichtigste Funktion des Blutes, den Sauerstofftransport, ersetzen kann, haben Forscher in den vergangenen Jahren herbe Rückschläge erlitten.
 
Auf den ersten Blick verspricht ein künstlicher Ersatz nur Vorteile. Er ist frei von Krankheitserregern, die in dem menschlichen Lebenssaft enthalten sein können, darunter Aids- und Hepatitisviren. Zudem spielt die Blutgruppe keine Rolle, es treten folglich keine Abstoßungsreaktionen auf. Und der Ersatzstoff ließe sich bis zu einem Jahr lagern, viel länger als herkömmliche Blutkonserven. Sie halten nur etwa fünf Wochen.
 
Doch Kunstblut ist noch längst nicht praxisreif. „Wir sind weit davon entfernt, Spenderblut durch künstliche Sauerstoffträger ersetzen zu können“, sagt Dr. Anneliese Hilger vom Paul-Ehrlich-Institut in Langen. Bei klinischen Studien mit Blutersatzmitteln kam es bis zum Jahr 2006 in den USA zu einem deutlichen Anstieg von Herzinfarkten und Todesfällen. „Daraufhin mussten die Versuche abgebrochen werden“, berichtet Hilger.
 
Was war geschehen? Die Mittel basierten alle auf reinem Hämoglobin, das in den roten Blutkörperchen Sauerstoffmoleküle bindet und dem Blut seine rote Farbe verleiht. Die Substanz wird aus Blutkonzentraten isoliert oder gentechnisch mithilfe von Bakterien hergestellt. Ohne eine schützende Zellmembran zerfällt Hämoglobin jedoch sehr schnell und wird von Abwehrzellen aufgenommen. Die Folgen: ein überlastetes Immunsystem, ein verminderter Sauerstofftransport und Nierenschäden.
 
Versuche, das Hämoglobin chemisch zu stabilisieren, um die Verweildauer im Organismus  zu verlängern, führten zwar zu einem für die Nieren verträglicheren Produkt. In klinischen Studien kam es aber zu Organausfällen, und der Blutdruck schwankte gefährlich. Denn in seiner reinen Form bindet Hämoglobin Sauerstoff so fest, dass die Gewebe nicht mehr ausreichend versorgt werden. Außerdem entzieht es dem Organismus Stickstoffmonoxid. Ohne diese den Blutdruck regulierende Substanz ziehen sich die Gefäße zusammen, und es kommt im schlimmsten Fall zu einem Herzinfarkt.

„Eine Verkapselung in künstliche Membranen kann das Hämoglobin vor dem Angriff des Immunsystems schützen“, erläutert Professor Hinnak Northoff, Leiter des Zentrums für Klinische Transfusionsmedizin in Tübingen. Tierversuche mit künstlichen Zellmembranen (Liposomen), in die das isolierte Hämoglobin eingeschleust wurde, zeigten eine entsprechende Wirkung. Doch die Verweildauer im Körper war noch immer zu kurz, und es traten zahlreiche Nebenwirkungen auf.

Bisher eignen sich die künstlichen Sauerstoffträger höchstens zur kurzfristigen Überbrückung  bei Notfällen. Weil der Ersatzstoff im Körper rasch abgebaut wird, ist ständig neues Material nötig. Eine echte Alternative zur Standardtherapie ist das künstliche Blut deshalb noch lange nicht. Die Medizin bleibt weiterhin auf Blutspenden angewiesen.
 
Wer Vollblut spenden will, muss gesund sein. Im Einzelfall beurteilt ein Arzt vor Ort, ob die Blutspende trotz einer Erkrankung möglich ist. Das Mindestalter beträgt 18 Jahre; die erste Spende muss vor Vollendung des 60. Lebensjahrs liegen.
 
Werden Medikamente eingenommen, sind diese vor der Spende anzugeben – ebenso wie Aufenthalte in außer europäischen Ländern. Zurückliegende Reisen können unter Umständen (z.B. Epidemien im Reiseland) zu einem Ausschluss führen.
 
Bildnachweis: PhotoDisc/ RYF