Süß wie Zucker, schwarz wie die Nacht und wirksam wie Medizin. Die Süßholzwurzel hat eine lange Tradition

Erinnern Sie sich noch an Charlie Chaplin in seinem Film „Goldrausch“? Ausgehungert schlingt der traurige Tramp in einer Szene seinen Schuh mitsamt Schnürsenkeln, Sohle und Schusternägeln hinunter. Ziemlich ungesund? Nicht für den großen Stummfilmstar: Die Schuhe waren aus Lakritze, die aus Süssholzwurzel gewonnen wird. „Und deren Eigenschaften als Naturheilmittel sind beeindruckend“, sagt Dr. Roman Huber vom Zentrum für Naturheilkunde an der Universität Freiburg.
 
Der Internist hat gemeinsam mit einem Team in Japan die Wirkungen der Süssholzwurzel (Glycyrrhiza glabra) bei chronischer Hepatitis C untersucht. Erste Ergebnisse dieser Studie scheinen zu bestätigen, dass regelmäßige Injektionen mit Süssholzwurzelextrakt zusätzlich zur medikamentösen Behandlung die Leberwerte der Patienten verbessern können.
 
Als Mechanismus, der dahintersteckt, vermuten Wissenschaftler, dass der Süssholz-Wirkstoff Glycyrrhizin den Abbau des körpereigenen Hormons Kortisol verlangsamt. Wer Lakritze verächtlich als „Bärendreck“ bezeichnet, tut ihr also möglicherweise Unrecht. Die Süssholzpflanze gehört zur Familie der Schmetterlingsblütler. Sie liebt die pralle Sonne und wird daher bevorzugt im Mittelmeerraum und im westlichen Asien angebaut.
 
Die holzige Staude kann bis zu anderthalb Meter hoch werden und verdankt ihren Namen dem süssen Geschmack ihrer Wurzeln. Die Rinde dieser unterirdischen Teile enthält Glycyrrhizin, eine Substanz, die der Lakritze ihren Geschmack verleiht und eine 50-mal stärkere Süsskraft besitzt als Rohrzucker. Die Produkte, die daraus hergestellt werden, sind im Süsswarenregal ebenso zu finden wie in der Apotheke – hier Lakritzschnecken für Schleckermäuler, dort Salmiakpastillen und medizinische Tees gegen Husten und Magenbeschwerden.
 
„In der Naturheilkunde hat die Süssholzwurzel eine lange Tradition“, sagt Huber. Die alten Ägypter schätzten sie bei Bronchialproblemen. Bei uns ist ihr Extrakt seit dem Mittelalter ein gefragtes Heilmittel, auch in der modernen Medizin hat er einen hohen Stellenwert. So waren in den 1960er-Jahren Präparate aus Süssholzwurzel die ersten hilfreichen Medikamente bei Magenschleimhautentzündungen. „Die Extrakte bilden eine Schutzschicht für die Magenschleimhaut und wirken entzündungshemmend“, erläutert Huber.

Vorsicht bei Bluthochdruck

„Flavonoide hemmen das Wachstum von Bakterien, Pilzen und Viren. Sogenannte Triterpensaponine regen die Bronchialschleimhaut an, dünnflüssigeren Schleim zu produzieren. Das Sekret kann so leichter abgehustet werden“, nennt er weitere Vorzüge. Medizinische Tees mit Süssholzwurzel eignen sich besonders bei Erkältungen, die mit verschleimtem Husten und Schnupfen einhergehen.
 
Allerdings ist der Dauergebrauch von Lakritze und Süssholzpräparaten mit Nebenwirkungen verbunden: Ab einer Dosis von 100 Milligramm Glycyrrhizinsäure täglich kann es zu Verschiebungen im Mineralstoffhaushalt kommen, mit möglichen Wassereinlagerungen, Muskelschwäche und Herzrhythmusstörungen. Herz-Kreislauf-Kranke, Diabetiker und Schwangere sollten daher besser auf Süssholzprodukte verzichten. Besonders hoch Dosiertes muss mit dem Hinweis „Starklakritz“ gekennzeichnet werden. Zur Geschmacksverstärkung wird der Lakritze häufig Salmiak beigemischt.
 
Erzeugnisse, die in Deutschland verkauft werden, enthalten normalerweise höchstens zwei Prozent Salmiak. In anderen europäischen Ländern, besonders in Skandinavien, ist man weniger streng. Dort gelten hochprozentige Varianten als beliebte Leckerei, die überall angeboten wird. Den Weltrekord im Lakritzeverbrauch halten die Niederländer: Sie verspeisen pro Person jährlich etwa zwei Kilogramm schwarze „drops“.
 
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