Flammt die Infektion allzu oft auf, ist es sinnvoller, die Mandeln zu entfernen

„Die Mandeln müssen raus, der Doktor baut ein Haus.“ Dieser Kalauer entstand zu einer Zeit, als die Entfernung der Gaumenmandeln für Hals-Nasen-Ohren-Ärzte fast schon zur Routine gehörte. Zwar ist die sogenannte Tonsillektomie auch heute ein häufiger Eingriff in deutschen Operationssälen, inzwischen halten sich die Ärzte aber mehr zurück. Treten bestimmte Symptome jedoch regelmäßig auf, führt kein Weg an einer Operation vorbei.

Gerötete und geschwollene Gaumenmandeln sind das untrügliche Zeichen: Hier leistet der Körper Abwehrarbeit. Als vorderster Schirm des Immunsystems schützen die Mandeln, in der medizinischen Fachsprache Tonsillen genannt, vor Viren und Bakterien, die durch den Mund oder die Nase in den Körper gelangen.

Nehmen die Keime in der Mundflora aber überhand, werden die Mandeln selbst zum Opfer einer Infektion. Sie schwellen deutlich an. Zwischen Mund und Rachen wird es eng, und auf den Mandeln bildet sich ein sogar für Laien erkennbarer eitrig gelber Belag. Die Folge sind Schluckbeschwerden und Halsschmerzen, oft begleitet von Fieber. Handelt es sich um eine akute bakterielle Infektion, verschreibt der Hausarzt Antibiotika. Im Idealfall gehen die Symptome innerhalb weniger Tage zurück.

Bereiten die Mandeln häufig Probleme, rät Professor Rudolf Hagen, Direktor der HNO-Klinik der Universität Würzburg, sie zu entfernen. Gradmesser sind mindestens drei bakterielle Entzündungen pro Jahr. „Die immer wiederkehren den Infektionen zerstören das Gewebe der Gaumenmandeln nach und nach“, sagt Hagen. „Diese verlieren dadurch ihre Funktion als Schutzvorrichtung des Immunsystems und werden selbst zum Infektionsherd.“ Durch die Blutbahn können die Bakterien in andere Körperteile gelangen und Entzündungen der Herzklappen, Gelenke oder Nieren verursachen.

Daneben behandelt Rudolf Hagen auch viele Patienten, die wegen einer Hyperplasie der Gaumenmandeln zu ihm kommen: An sich zunächst ohne Krankheitswert, erschweren die Mandeln hier das Atmen, weil sie stark vergrößert sind. Nicht selten klagen die Betroffenen über plötzliche Atemaussetzer in der Nacht. Ebenso macht eine Eiteransammlung in der Umgebung der Mandeln eine Operation nötig. Ein solcher Abszess bildet sich meist als Spätfolge früherer Infektionen.

Im Marienhospital in Gelsenkirchen stehen für Professor Philipp Dost und seine Kollegen jedes Jahr rund 450 Mandelentfernungen auf dem Operationsplan. Ganz unproblematisch ist der Eingriff nicht. Das Risiko gefährlicher Nachblutungen lässt sich auch mit modernen Methoden nicht ausschließen. Eine gemeinsame Studie der deutschen Universitätskliniken ergab, dass etwa jeder 25. Patient mit einer Nachblutung rechnen muss.

„Das ist nicht mehr als bei anderen Eingriffen“, sagt Philipp Dost. „Im Mundraum sind Blutungen aber besonders gefährlich und erfordern ein schnelles Eingreifen.“ Die Folge wäre ansonsten ein hoher Blutverlust, der bis zum Ersticken führen kann. Deswegen bleiben die Patienten nach der Operation fünf Tage im Marienhospital.

„Wir wägen mögliche Risiken und Chancen genau ab“, betont Dost. Wie es seinen Patienten nach der Mandelentfernung erging, hat er in den vergangenen Jahren genau dokumentiert. „Das Argument Lebensqualität hat meistens gesiegt. Die Patienten mussten nach dem Eingriff seltener zum Arzt, nahmen weniger Schmerzmittel ein und fehlten seltener am Arbeitsplatz.“ Schmerzhaft ist eine Mandeloperation zunächst trotzdem. Für Linderung sorgt Kühlen. Deshalb lagert im Marienhospital immer genügend Wassereis – in drei Geschmacksrichtungen.

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