Meist sind Kinder betroffen, aber auch noch im Erwachsenenalter kann das Phänomen auftreten

Für eine Zeitungsmeldung sind sie immer gut: der Herr, der nächtens ein Taxi besteigt, in Unterwäsche und nicht ansprechbar; die junge Studentin, die im Schlaf das Fenster öffnet, aus dem dritten Stock auf die Straße stürzt und sich komplizierte Brüche zuzieht.

Meist sind die nächtlichen Aktivitäten der Schlafwandler weniger spektakulär. „Oft stehen sie abrupt auf, tasten lediglich etwas orientierungslos im Raum umher und legen sich nach wenigen Minuten wieder hin“, berichtet Gwendolyn Böhm vom Schlafmedizinischen Zentrum der Technischen Universität München. Gar nicht selten werden allerdings auch Koffer gepackt, Betten bezogen oder Taschen ein- und ausgeräumt. Gefahr droht, wenn Betroffene das Bügeleisen anschalten oder Putzmittel trinken.
 
Erinnern können sie sich an ihre nächtlichen Unternehmungen meist nicht, nur Mutmaßungen anstellen, wenn etwa morgens die Butter in der Handtasche liegt oder am Kopf eine Beule schmerzt. Zwischen ein und fünf Prozent der Erwachsenen sind betroffen – eher junge Menschen. Am häufigsten tritt das Phänomen bei Kindern auf. Bis zu 15 Prozent von ihnen sind zumindest gelegentlich im Schlaf unterwegs. „Mit der Pubertät wächst sich das meist aus“, sagt Böhm.

Er habe schlecht geträumt, könnte man vermuten, wenn der Partner aus dem Schlaf schreiend hochfährt. Doch der von Medizinern in der Fachsprache als „Pavor nocturnus“ bezeichnete Nachtschreck tritt wie das Schlafwandeln aus dem Tiefschlaf heraus auf. Diese Phase überwiegt in der ersten Nachthälfte und ist traumlos oder allenfalls durch kurze szenische Träume geprägt.

Was manche Menschen da umtreibt, ist wissenschaftlich noch weitgehend ungeklärt. Weil das Phänomen überwiegend im Kindesalter auftritt, vermuten Schlafforscher eine Unreife des Gehirns als Ursache. Sie wissen, dass die Großhirnrinde während der schlafwandlerischen Episoden weitgehend inaktiv ist, während die Zentren im Gehirn arbeiten, die für die Steuerung der Bewegungen zuständig sind. „Entsprechend sieht man bei der Hirnstrommessung eine Mischaktivität des Gehirns, die sich weder exakt als Schlaf noch als Wachzustand einordnen lässt“, erläutert Böhm. Schlafwandeln und seine Varianten wie der Nachtschreck treten familiär gehäuft auf.

Wer öfter im Schlaf aktiv ist, sollte sich in einem schlafmedizinischen Zentrum vorstellen. Dort können Ärzte die Störung genauer diagnostisch einordnen. Sie kann etwa mit einer nächtlichen Epilepsie verwechselt werden. Bei der sogenannten REM-Schlaf-Verhaltensstörung agieren meist ältere Schläfer Träume mit heftigen Bewegungen aus. Typischerweise passiert das in der traumreichen zweiten Nachthälfte. Männer kämpfen häufig. Nicht selten geht dabei sogar Mobiliar zu Bruch. Bei Frauen überwiegen dagegen eher angstbesetzte Trauminhalte.

Steht die Diagnose Schlafwandeln fest, empfehlen Mediziner an erster Stelle, auslösende Faktoren zu vermeiden. So tritt das Phänomen bevorzugt nach Schlafentzug auf, zum Beispiel nach einer durchfeierten Nacht. Alkoholkonsum, manche Arzneimittel und hohes Fieber steigern das Risiko ebenfalls.

Nur wenn schlafhygienische Maßnahmen nicht ausreichen, verordnen Fachärzte in seltenen Fällen ein Medikament. Und was tun, wenn der Partner oder das Kind nachtwandelnd unterwegs sind? „Man sollte versuchen, sie möglichst ruhig ins Bett zurückzubringen“, empfiehlt Böhm. „Wecken lassen sie sich nur schwer.“ Auf die sprichwörtliche schlafwandlerische Sicherheit sollte man sich jedenfalls nicht verlassen – es gibt sie nicht.
 
Das können Betroffene und Eltern von schlafwandelnden Kindern tun:

  • Halten Sie regelmäßige Schlafzeiten ein. Achten Sie auf ausreichend Schlaf.
  • Sorgen Sie dafür, dass es im Schlafzimmer möglichst ruhig und dunkel ist.
  • Verringern Sie Ihren Alkoholkonsum.
  • Sichern Sie die Schlafumgebung, um Unfälle zu vermeiden. Schließen Sie Fenster und Türen ab. Eventuell kann die Installation eines Bewegungsmelders sinnvoll sein. Eine Glocke an der Tür kann Eltern wecken, wenn ihr Kind schlafwandelt. Buchen Sie auf Reisen ein Zimmer im Erdgeschoss.

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