Wenn Gewichtsprobleme das Essen verleiden, sind gut gemeinte Erklärungen und Tipps rasch zur Hand. Wie Forscher über moderne Ernährungsmythen urteilen
1 Das Abendessen schlägt besonders stark zu Buche …
STIMMT NICHT. Sonst würden in Mittelmeerländern besonders viele Wohlbeleibte leben. Denn dort schlemmen die Menschen am liebsten abends. Zu welcher Tageszeit der Magen gefüllt wird, spielt für Normalgewichtige keine Rolle. Italiener, Spanier oder Franzosen etwa knausern lieber beim Frühstück. Entscheidend ist die Gesamtbilanz aufgenommener und verbrannter Kalorien. Manchen Übergewichtigen allerdings hilft abendliche Enthaltsamkeit, Pfunde zu verlieren.
2 Eine Kalorie ist eine Kalorie …
STIMMT NUR BEDINGT. Der Körper verwertet Fett fast ohne Verluste und nutzt auch die in Kohlenhydraten enthaltene Energie größtenteils aus. Eiweißstoffe hingegen stoßen Stoffwechselvorgänge an, die bis zu 20 Prozent der Kalorien verbrauchen. Die Crux: Eiweißreiche Lebensmittel enthalten oft auch viel Fett. Für die Verwertung der Nährstoffe spielt auch die so genannte Energiedichte eine Rolle. Sie ist bei Fett am höchsten. Deshalb besteht bei fettreichen Mahlzeiten die Gefahr, dass man sich besonders viele Kalorien zuführt. Andererseits hält die Sättigung nach einer fetten Speise am längsten an.
3 Es gibt gute und schlechte »Futterverwerter« …
STIMMT. Den guten Futterverwertern diktiert das Erbgut, besonders sparsam mit den aufgenommenen Nährstoffen hauszuhalten. Also lagern sie überschüssige Kalorien bevorzugt in Fett depots ab. Anderen Menschen erlauben die Gene mehr Freigebigkeit; sie lassen einen höheren Teil der Nahrungsenergie ungenutzt oder verbrennen auch in Ruhe mehr Kalorien. Dieser so genannte Grundumsatz, das zeigten Studien, bestimmt mit über die Neigung zu Fettpolstern: Je niedriger er ist, desto größer das Risiko. Der Grundumsatz ist im Übrigen umso höher, je mehr Muskeln und Bindegewebe ein Mensch besitzt. Weil diese »Magermasse« mit den Lebensjahren schwindet, fällt es vielen Personen mit steigendem Alter immer schwerer, die Linie zu halten. Manche Menschen haben es vor allem ihrer Zappeligkeit zu ver danken, dass sie trotz eines gesunden Appetits gertenschlank bleiben. Weil sie – oft unbewusst – ständig in Bewegung sind, setzen sie nicht so leicht Pfunde an.
4 Ein Glas Wasser vor dem Essen trickst den Hunger aus …
STIMMT IM PRINZIP. Aber zu viel sollte man sich davon nicht versprechen. Das Gefühl, satt zu sein, ent steht unter anderem durch die Dehnung des Magens. Dazu kann auch ein Glas Wasser beitragen. Außerdem stößt die Flüssigkeit Studien zufolge Prozesse im Körper an, bei denen Kalorien verbrannt werden. Die Ausbeute ist allerdings speziell bei Übergewichtigen gering.
5 Jede Ess-Sünde schlägt an …
STIMMT. Trotzdem ist Sündigen erlaubt. Denn wer sich allzu sehr selbst kasteit, bei dem brechen leicht alle Dämme, wenn er einmal einer Versuchung nicht widerstehen konnte. Wichtig ist, dass die Langzeitbilanz stimmt. Die halbe Tafel Schokolade etwa muss an irgendeiner Stelle kompensiert werden.
6 Sport bringt nicht viel, weil er auch den Hunger steigert …
KOMMT DRAUF AN. Wer sich nur einmal die Woche aufrafft oder unter Sport versteht, mit dem Hund zweimal um den Block zu gehen, der wird kaum profitie ren. Faustregel: 2500 Kilokalorien wöchentlich, noch besser 500 Kilokalorien täglich sollten weggeschwitzt werden, damit man abnimmt. Je höher der persönliche Ehrgeiz, desto eher kommt man in Bereiche, in denen die »Volumenregulation« greift. Dann lässt sich der Magen kaum mehr mit jenen Mengen füllen, die nötig wären, um den Trainingsverlust auszugleichen – es sei denn, das Gefühl für Hunger und Sättigung ging völlig verloren. Wer das zum Abnehmen nötige Sportpensum aufgrund eines Gebrechens nicht schafft, sollte trotzdem nicht völlig auf körperliche Ertüchtigung verzichten. Denn Bewegung senkt auch bei Dicken die Gesundheitsrisiken.
7 Fünf kleine Mahlzeiten sind besser als drei große …
GILT NICHT FÜR JEDEN. Wer bei nur drei Mahlzeiten täglich so stark Hunger bekommt, dass er dann zu üppig tafelt, der kommt mit mehreren kleinen Happen vielleicht besser hin. Umgekehrt essen viele Menschen in der Summe mehr, wenn sich die Portionen auf fünf Uhrzeiten verteilen. Hier muss jeder für sich selbst herausfinden, mit welcher Strategie er besser zurechtkommt.
8 Mit Entwässern wird man die Pfunde am schnellsten los …
STIMMT NICHT. Man wird die Pfunde überhaupt nicht los, sondern entzieht dem Gewebe nur vorübergehend Wasser. Entwässern ist lediglich sinnvoll, wenn der Arzt es aus medizinischen Gründen verordnet hat. Zum Abnehmen ist es nicht nur untauglich, sondern sogar gefährlich. Ärzte berichten immer wieder über Patienten, die wegen einer Entgleisung ihres Mineralstoffhaushalts in die Sprechstunde oder gar in die Notaufnahme kamen, nachdem sie Entwässerungsmittel genommen hatten. Wasserentzug steigert außerdem das Risiko von Blutgerinnseln, setzt den Nieren zu und schränkt die Gehirnleistung ein.
9 Mit »Fatburnern« nimmt man ohne Ernährungsumstellung ab …
STIMMT NICHT. Mal gelten Enzyme als der Hit, mal heißt der Geheimtipp »Carnitin «, mal soll der Hormonausstoß des Körpers mit Vitaminen, Jod oder Eiweißspritzen auf Trab gebracht werden. So leicht, wie Bücher und Boulevardblätter versprechen, lässt sich der Stoffwechsel jedoch nicht überlisten. Der Pegel etwa von Carnitin und Hormonen lässt sich nicht einfach durch gezielte Nährstoffgaben hochfahren. Und Enzympillen können ihr Werk im Darm nicht verrichten, weil sie bereits im Magen zerstört werden. Allerdings liefen alle Studien, in denen Forscher bisher den Effekt von »Fatburnern « untersuchten, nur über kurze Zeit. Deshalb lässt sich ein geringer Effekt, der sich nach längerer Einnahme aufsummiert, nicht ausschließen. Wundermittel, mit denen sich alle Ernährungssünden ausgleichen ließen, sind die Substanzen aber sicher nicht.
Gesundheit
(Bildnachweis: Foto: Stockbyte)