Aus der Kultur- und Rauschpflanze wird Morphin gewonnen. Der Stoff ist heute aus der Schmerztherapie nicht mehr wegzudenken
König Mithridates VI. von Pontos, einer Region am Schwarzen Meer, entwickelte im ersten Jahrhundert vor Christus ein opiumhaltiges Heilmittel, das er Theriak nannte. „Die Arznei konnte neben Opium und Schlangenfleisch auch Würzkräuter, Wurzeln, Honig und Wein enthalten – bis zu 400 Zutaten.
Ursprünglich wurde sie bei verschiedenen Giften als Gegenmittel eingesetzt“, sagt Dr. Ursula Barthlen, Apothekerin aus Dußlingen. Rund hundert Jahre später verlangte der römische Kaiser Hadrian von seinem Leibarzt wegen Liebeskummers eine tödliche Dosis Opium. Doch der Mediziner fühlte sich an den Eid des Hippokrates gebunden, Arzneien nie zum Schaden eines Menschen anzuwenden, und beging Selbstmord.
Fluch und Segen: Die Inhaltsstoffe des Schlafmohns befreien Schmerzpatienten von ihren Qualen und sind zugleich todbringendes Gift. „Schon die Menschen in der Steinzeit bedienten sich des Mohnsamens, um Schmerzen erträglicher zu machen“, erzählt Annette Schiffner, Leiterin des Brandenburgischen Apothekenmuseums. „Und noch im 19. Jahrhundert verabreichten Eltern ihren Kindern gemahlenen Mohn, um sie zum Schlafen zu bringen.“
Auslöser für zwei Kriege
Der Missbrauch der Pflanze ist seit dem 16. Jahrhundert bekannt. Besonders die Chinesen frönten dem Laster des Opiumrauchens. Den Stoff lieferten die Briten aus Bengalen (heute Ostindien und Bangladesch) ins Reich der Mitte.
Als China im 19. Jahrhundert den Handel mit der Droge verbot, stand das den wirtschaftlichen Interessen der Briten entgegen. Dieser Konflikt löste die Opiumkriege (1839 bis 1842 und 1856 bis 1860) aus, die mit Niederlagen Chinas endeten.
Um Rohopium zu gewinnen, ritzen die Bauern die unreifen Samenkapseln des Schlafmohns an und ernten den ausgetretenen Milchsaft, sobald er bräunlich wird. Daraus gibt es in der Apotheke gegen Vorlage eines Betäubungsmittelrezepts eine Tinktur, früher als Laudanum bekannt. „Heute wird sie nur noch selten bei schwerem Durchfall verschrieben“, sagt Barthlen.
1804 gelang es dem 21-jährigen Apothekergehilfen Friedrich Wilhelm Sertürner, aus dem Mohnsaft das „betäubende Prinzip“ zu gewinnen. Den Stoff nannte er Morphium – nach Morpheus, dem griechischen Gott der Träume. Mit seiner Entdeckung, aus einer Pflanze einen einzelnen Wirkstoff zu isolieren, löste Sertürner in der Wissenschaft eine Revolution aus.
Die bald darauf einsetzende Gewinnung von Arzneistoffen aus Pflanzen in großem Stil war die Geburtsstunde der Pharmaindustrie. Neben Morphin, wie der Wirkstoff heute heißt, enthält Mohn hochwirksame Bestandteile, etwa Codein gegen Hustenreiz. Nachteile des Morphins sind die schweren Nebenwirkungen und die Suchtgefahr. Am Vorbild seiner chemischen Struktur wollten Pharmazeuten weniger gefährliche Arzneistoffe entwickeln.
Strenge Kontrolle
Besonders die Abhängigkeitsgefahr war von jeher ein Problem. Anfang des 20. Jahrhunderts zwang immenser Missbrauch die Regierungen zum Handeln. „Infolge des internationalen Opiumabkommens von 1912 wurde zwölf Jahre später innerhalb des deutschen Reichsgesundheitsamts eine Opiumabteilung geschaffen. 1952 entwickelte sich daraus die Bundesopiumstelle, heute Teil des Bundesinstituts für Arznei mittel und Medizinprodukte“, erklärt Maik Pommer vom BfArM.
Das Amt überwacht sämtliche Verordnungen von Betäubungsmitteln. Das umständliche Prozedere mit dem dreiteiligen Rezept – jeweils ein Beleg für den Arzt, den Apotheker und die Krankenkasse beziehungsweise den Privatpatienten – hat durchaus seinen Sinn, wie Pommer erläutert: „Wir wollen eine gezielte Versorgung ermöglichen, aber zu gleich eine gefährliche Überversorgung und die missbräuchliche Anwendung verhindern.“
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