Fast jeder Mensch trägt das Epstein-Barr-Virus in sich. Für manche hat das unangenehme Folgen
Es beginnt oft mit Abgeschlagenheit, erhöhter Temperatur, heftigen Halsschmerzen und Schluckbeschwerden. „Dass dahinter mehr als eine bakterielle Mandelentzündung steckt, erkennen Fachleute daran, dass die Lymphknoten im Bereich von Kieferwinkel, Nacken und Hals erheblich geschwollen sind“, erläutert Dr. Dirk Heinrich, Vorsitzender des Berufsverbands der Hals-Nasen-Ohren-Ärzte in Deutschland.
Aber erst eine Laboruntersuchung bestätigt den Tastbefund zweifelsfrei. Sind im Blut „frische“ Ig-M-Antikörper gegen das Epstein-Barr-Virus (EBV) – den Auslöser der Infektion – nachweisbar, hat der Patient Pfeiffer’sches Drüsenfieber.
Übertragung kaum vermeidbar
Das Epstein-Barr-Virus gehört zu den Herpesviren und wird mit dem Speichel übertragen. „Im Prinzip kann diesem Erreger keiner entgehen. Er ist allgegenwärtig“, sagt Professorin Barbara Gärtner vom Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene am Universitätsklinikum des Saarlandes in Homburg.
Das Virus klebt etwa auf angebissenen Äpfeln und benutzten Löffeln. Die meisten kommen schon als Baby mit ihm in Kontakt. Bis zum Erwachsenenalter haben sich rund 95 Prozent der Bevölkerung damit angesteckt. Wer bereits als Kind mit dem Epstein-Barr-Virus Bekanntschaft macht, merkt in der Regel nichts von der Infektion. Sie verläuft unbemerkt, weil das kindliche Abwehrsystem nur schwach auf Angreifer von außen reagiert.
Findet die Erstinfektion in einem höheren Alter statt, wenn das Immunsystem voll leistungsfähig ist, wird sie als Erkrankung wahrgenommen. „Je stärker das Immunsystem das Virus bekämpft, umso häufiger treten Krankheitszeichen auf“, erklärt Gärtner. Das Virus infiziert zunächst die Schleimhäute in Nase, Mund und Rachen sowie eine bestimmte Art der weißen Blutkörperchen, die B-Lymphozyten. Von den Lymphknoten, die im Zuge der Immunreaktion anschwellen, wandert es in das lymphatische System und befällt die Milz sowie lebenswichtige Organe wie Leber und Herz.
Bei einem Verdacht auf Pfeiffer’sches Drüsenfieber veranlasst Dirk Heinrich deshalb immer eine Ultraschall-Untersuchung des Oberbauchs. „Dadurch können grenzwertige Schwellungen und Risse an den Organen frühzeitig erkannt werden.“
Eine ursächliche Therapie der Krankheit gibt es nicht. „Wir können nur Bettruhe und körperliche Schonung empfehlen“, sagt Heinrich. Schwellen die Mandeln so heftig an, dass der Patient nicht schlucken kann oder Atemnot hat, müssen sie umgehend operativ entfernt werden. Bei bakteriellen Zweitinfektionen verordnet der Arzt Antibiotika. „Allerdings auf keinen Fall Amoxicillin“, schränkt Heinrich ein, „denn dieser Wirkstoff löst bei EBV-Patienten juckende Hautausschläge aus.“
Im Normalfall klingt die Infektion ohne Komplikationen nach sieben bis zehn Tagen ab. Doch manche Patienten kommen wochen- oder monatelang nicht wieder auf die Beine. Sie fühlen sich schlapp und erschöpft. „Möglicherweise wird das Virus bei diesen Personen immer wieder übermäßig reaktiviert“, sagt Professor Reinhard Zeidler vom HNO-Klinikum der Universität München, der einen Impfstoff gegen den Erreger entwickelt.
Nach der Erstinfektion schlummert das EBV wie alle Herpesviren weiter im Körper. Auch dieser passive Modus bleibt oft nicht ohne Folgen. „Das Virus kann sich in die B-Zellen des Abwehrsystems einnisten und diese so verändern, dass sie sich unkontrolliert vermehren“, erläutert Gärtner.
Erhöhtes Risiko für Lymphome
Ohne dass Betroffene etwas merken, erhöht das Pfeiffer’sche Drüsenfieber so das Risiko für Lymphdrüsenkrebs, wie eine Studie unter Leitung von Professor Nikolaus Becker vom Deutschen Krebsforschungszentrum belegt. Gefährdet sind stark immun geschwächte Personen, etwa nach einer Organtransplantation oder einer HIV-Infektion, bei der die entarteten B-Lymphozyten nicht durch T-Zellen ausgeschaltet werden.
„Zudem steht das Epstein-Barr-Virus im Verdacht, Autoimmunerkrankungen wie multiple Sklerose und rheumatische Arthritis auszulösen“, sagt Zeidler. Der von ihm und seinem Team entwickelte Impfstoff basiert auf dem komplett nachgebauten Virus, weshalb der Immunschutz im Modell kräftig ausfällt. Bald soll das Präparat an Freiwilligen getestet werden, in fünf Jahren könnte es auf den Markt kommen. Zeidler: „Gerade für Risikogruppen wie Organtransplantierte wäre die Impfung ein Segen.“
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