Angst ist eigentlich eine normale Empfindung – doch sie kann außer Konrolle geraten und krankhaft werden
Angst besitzt viele Facetten. Der eine fürchtet sich vor dem Fliegen, eine andere vor Spinnen. Solche genau umrissenen Ängste nennen Therapeuten „spezifische Phobien“.
 
Neben den genannten Ängsten gibt es noch zwei weitere, die Menschen in ihren Lebensmöglichkeiten besonders stark einschränken: die generalisierte, also allgemeine Angststörung und die Agoraphobie. Das Wort stammt aus dem Griechischen und bedeutet Angst (phobos) vor offenen Plätzen (agora). Heute verstehen Psychologen darunter, dass Betroffene bestimmte Situationen und Orte meiden, von denen sie annehmen, dass eine Flucht peinlich oder schwierig sein könnte oder sie dort im Notfall keine Hilfe erhalten.
 
Vermeidungsverhalten schränkt ein 
Das ist etwa in Kinos, Restaurants oder öffentlichen Verkehrsmitteln der Fall. Auch gilt es für Fahrten im Auto, durch Tunnel sowie für einen Aufenthalt an einsamen Plätzen. Letztlich führt das Verhalten zu immer größeren Einschränkungen. „Bis zur Hälfte aller Patienten, die unter einer Panikstörung leiden, entwickeln, wenn diese unbehandelt bleibt, zusätzlich eine Agoraphobie“, hebt die Diplom-Psychologin Swantje Koller vom Psychologischen Institut der Universität Münster hervor.
 
Die Schwierigkeit bei Panikattacken: Weil Menschen den Arzt aufsuchen und körperliche Probleme schildern, sucht er nach organischen Ursachen. Da geht es um Atemnot, Schwindel, Herzrasen, Schmerzen und Engegefühl in der Brust. Körperliche Ursachen kann der Mediziner meist bald ausschließen, und so beruhigt er seine Patienten. Doch mit dem nächsten Anfall kehrt die Angst, unter etwas Unerkanntem zu leiden, umso heftiger zurück.
 
Davonlaufen hilft nicht 
Aus Furcht vor den körperlichen Missempfindungen vermeiden Menschen mit einer Panikstörung nicht nur bestimmte Situationen, sondern auch sämtliche Körpergefühle, die einer solchen Reaktion ähneln könnten. Damit weder Schweiß ausbricht noch das Herz zu rasen beginnt, verzichten Betroffene auf sportliche Aktivitäten und emotional packende Erlebnisse. Auf diese Weise beschneiden sie ihren Aktionsradius immer mehr.
 
„Vereinfacht gesagt: Gehen Sie großen Hunden aus dem Weg, werden Sie auch bald Angst vor kleinen haben“, bringt es Experte Professor Jürgen Hoyer von der Technischen Universität (TU) Dresden auf den Punkt. Davonlaufen hilft nicht, die Erkrankung zu überwinden. „Je mehr die Personen vermeiden, desto stärker verfestigt sich die Angst“, formuliert es Koller. „Daneben versuchen Patienten, die Angst durch Alkohol oder mit angstlösenden Medikamenten wie Benzodiazepinen zu bewältigen.“ Solche Strategien führen jedoch in die Sucht.
 
„Eines muss klar sein: Jeder Mensch hat Angst, denn diese Empfindung gehört zu unserem Leben“, unterstreicht Hoyer. Die Schwierigkeiten, mit dem Gefühl angemessen umzugehen, beginnen, wenn jemand versucht, es weg zudrücken. Vor einer psychotherapeutischen Behandlung sollte jedoch der Arzt organische Ursachen einer Angsterkrankung ausschließen.
 
Neue Therapieansätze
Bei Angststörungen hat sich die kognitive Verhaltenstherapie bewährt – zum Teil unterstützt durch angstlösende Medikamente wie Antidepressiva oder Johanniskraut, also Mittel, die nicht abhängig machen. Ein entscheidender Schritt in dieser Therapie besteht darin, dem Patienten zu demonstrieren, dass in den für ihn schlimmen Situationen oder an den gefürchteten Orten nichts passiert. Bei sozialen Ängsten führen Patient und Therapeut Experimente wie dieses durch: Befürchtet der Patient beispielsweise, durch sein starkes Schwitzen aufzufallen, befeuchtet er sich absichtlich die Achseln mit Wasser und beobachtet dann an einem belebten Ort die Reaktionen der Passanten.
 
Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zurück gewinnen
An der Universität Bochum, der TU Dresden und weiteren Instituten in Deutschland läuft „Sopho-Net“, ein Forschungsprojekt zu diesen Phobien, bei dem Therapeuten sowohl kognitive Verhaltenstherapie als auch tiefenpsychologische Behandlung anbieten. Betroffene sind willkommen. Bei der tiefenpsychologischen Therapie werden die biografischen Wurzeln intensiver betrachtet, jedoch gezielt in Bezug auf die Schwierigkeiten im sozialen Umgang mit anderen. „Vier von fünf Patienten mit einer sozialen Phobie“, berichtet Professorin Ulrike Willutzki von der Ruhr-Universität Bochum, „profitieren deutlich von diesen Behandlungen.“
 
Panik-Patienten lernen, Übelkeit oder Herzrasen als normale Reaktionen des Körpers auf zufassen. Zudem erkennen sie, dass ihre Probleme auftreten, sobald sie sich überfordert fühlen oder etwas Unerwartetes tun müssen. „Haben Menschen mit Panikstörungen diesen zweiten Blick wieder erlernt, der es ihnen erlaubt, eine vernunftgebundene Entscheidung zu treffen, kommt das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zurück, die Situation zu bewältigen“, sagt Hoyer.
 
Panikstörungen sind gut behandelbar 
Auch zu Panikstörungen und Agoraphobie führen Forscher an mehreren Universitäten Deutschlands eine große Studie („paniknetz“) durch. „Unter anderem geht es darum, das Verfahren zu optimieren“, erklärt Koller. In Münster erhalten die Patienten etwa vier Therapiesitzungen pro Woche. Untersuchungen hatten gezeigt, dass der Erfolg größer ausfällt, wenn die Stunden dicht aufeinander folgen. Auch an diesen Studien können Betroffene teilnehmen. Panikstörungen lassen sich gut behandeln: 80 Prozent der Patienten haben nach einer Therapie keine Probleme mehr damit.

Pflanzliche Hilfe
Angstpatienten schlafen oft schlecht. Baldrian mindert Einschlafstörungen. Neue Studien zeigen, dass bestimmte Inhaltsstoffe (Lignane) in dem Gehirnbereich wirken, der das Schlafbedürfnis reguliert. Baldrian gibt es auch in Kombinationen mit Hopfen, Melisse, Passionsblume oder Johanniskraut.
 
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