Locken Sonderangebote, gibt es bei vielen Kunden oft kein Halten mehr. Was ist die Ursache für die Lust an den vermeintlichen Schnäppchen?

Die Deutschen lieben das Geldausgeben: Nach einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach gehen 27 Prozent in ihrer Freizeit gern einkaufen. Vor allem die Schnäppchenjagd ist ein Volkssport geworden. Der Designer-Hosenanzug um 70 Prozent reduziert! Der HDTV-Fernseher kostet nur noch die Hälfte! Diesem Lockruf können viele Kunden nicht widerstehen.

Outlets und Handzettel-Flut

Längst hat der Handel auf die Lust der Konsumenten an abgespeckten Preisen reagiert: In der Provinz schießen überdimensionale Outlets für Mode oder Sportartikel aus dem Boden. Jeder Haushalt wird überschwemmt mit einer Flut an Handzetteln aus Supermärkten, Bau- und Elektronikmärkten, die marktschreierisch ihre Waren anpreisen.
 
Manche Handelsketten versprechen sogar, ihren Kunden das Geld für ein Produkt zurückzuzahlen, das sie in einem anderen Laden preiswerter entdecken. Gibt es also keine Dinge mehr, die dem Verbraucher lieb und teuer sind? Worin liegt der starke Reiz des Billigen? „Ein Schnäppchen ist für unser Gehirn eine unerwartete Belohnung“, sagt Dr. Georg Häusel, Psychologe, Konsumforscher und Unternehmensberater aus München. „Sie löst einen Schub des Nervenbotenstoffs Dopamin im Gehirn aus – und damit auch einen Handlungsschub. Wir greifen einfach zu.“ Oft stellen sich Schnäppchenjäger deshalb erst nach dem Verlassen des Geschäfts die berechtigte Frage: Brauche ich das überhaupt, was ich da zu einem supergünstigen Preis gekauft habe?
 
Vernunft vorrübergehend lahmgelegt
 
Bildaufnahmen des Gehirns belegen, dass Dopamin bei attraktiven Kaufanreizen eine Struktur im Vorderhirn aktiviert – den Nucleus accumbens –, die auch bei der Entstehung von Süchten eine wichtige Rolle spielt. Für die Vernunft zuständige Bereiche unseres Großhirns werden durch rauschähnliche Glücksgefühle vorübergehend lahmgelegt.
 
„Der Verstand rückt bei dieser Art der Kaufentscheidung in den Hintergrund“, bestätigt Häusel. Wie mit Scheuklappen versehen steuert der angelockte Kunde auf sein Ziel zu und vergisst dabei alles um sich herum. Dabei können aus scheinbar zivilisierten Menschen rücksichtslose „Raub-Tiere“ werden. Als Beispiel dafür nennt der Experte die Eröffnung einer Elektronikmarkt-Filiale am Berliner Alexanderplatz im Oktober vergangenen Jahres. „Da gab es nicht nur Schnäppchen, sondern auch 16 Verletzte.“
 
„Geld hat für unser Gehirn eine hohe emotionale Bedeutung. Es ist nichts anderes als konzentrierte und zu jeder Zeit verfügbare Lust in der Hosentasche“, sagt Georg Häusel. Geld sparen bedeutet Unlust vermeiden.
 
Der Konsumforscher hat dieses Motiv weiter untersucht – und vier verschiedene Klassen von Schnäppchenjägern entdeckt:

Der hedonistische Optimierer

Der Genießer will alles: schön essen gehen, im Luxushotel urlauben, einen Sportwagen fahren. „Reicht das Geld dafür nicht aus, versucht er, alles etwas billiger zu bekommen“, beschreibt Häusel diesen Typus. Die handgefertigten Schuhe kauft der Optimierer im Schlussverkauf, die Malediven-Reise bucht er als Last-Minute-Angebot.

Der Smart Shopper
 
Er beweist sich durch seine günstigen Einkäufe seine Selbsteffizienz. „Er sieht den Preis als Bestätigung dafür, dass er ein ganz kluges Kerlchen ist“, sagt Häusel. Zahlt er für den Computer nach zähen Verhandlungen oder bei einer Rabattaktion 100 Euro weniger als sein Kollege, fühlt er sich besser und schlauer als die anderen.

Der asketische Sparer

Nicht der Konsum macht diesen Typus glücklich, sondern Verzicht und Kontrolle. Der asketische Sparer setzt bewusst auf Funktion statt Design, auf Discounter statt Feinkosthändler, auf Grabbeltisch statt Boutique.

Der sicherheitsorientierte Sparer

Dazu gehören Menschen, die in Erwartung schlechterer Zeiten gern etwas auf die hohe Kante legen. Sie fürchten, durch spaßorientiertes Geldausgeben ihre Existenz zu gefährden, und kaufen deshalb vorsichtshalber am liebsten preiswert.
 
05.01.09, Apotheken Umschau, Bildnachweis: Digital Vision/RYF