
Die Salzpflanze hat sich auf das Leben am Meer spezialisiert. Jetzt wird sie als Delikatesse für die Küche wiederentdeckt
Viele Strandurlauber gehen im Watt achtlos an dem unscheinbaren, knöchelhohen Queller vorbei, den sie für Unkraut halten. Ein zweiter Blick lohnt sich aber allemal, denn die im Schlick der Nordsee – und an einigen Stellen auch der Ostsee – wachsenden Salzpflanzen sind sogar essbar. Ihre fleischigen, grünen Stängel stecken voller gesunder Mineralsalze und natürlichem Jod. In rohem Zustand erinnert ihr Geschmack an Salzstangen.
Die Franzosen bezeichnen das Fuchsschwanzgewächs, das botanisch mit dem Spinat und der Zuckerrübe verwandt ist, als Passepierre und schätzen es seit jeher als wohlschmeckende Delikatesse. Deutsche Köche haben den leckeren Küstenspargel, im Volksmund auch Friesenkraut und Meeresfenchel genannt, mittlerweile als nährstoffreiche Beilage zu Fischgerichten wiederentdeckt.
Bei den Salzpflanzen geraten auch Botaniker ins Schwärmen. Der Queller (Salicornia) hat sich nämlich – wie alle Halophyten – perfekt an das Meerwasser angepasst, das ihn bei Flut umspült.
Gegen Salzwasser unempfindlich
Für die meisten Pflanzen ist Salzwasser giftig. Queller nimmt das Mineral vor allem über die Wurzeln auf. Im Inneren der Pflanze wird es in großen Zellvakuolen abgelagert – Hohlräumen, die mit Zellsaft gefüllt sind. Auf diese Weise wird der Salzgehalt verdünnt und schadet der Pflanze dann nicht mehr.
Viele Hobbyköche nehmen fälschlicherweise an, dass es sich bei Queller um eine Meeresalge handelt. Er bildet jedoch ab Juni an seinen geschuppten Sprossen kleine, gelbliche Blüten aus, während Algen keine Blüten entwickeln.
Im Lauf des Sommers lassen die besonderen Fähigkeiten des Quellers nach, da die Stiele von innen verholzen. Die dann rötlich gefärbten Pflanzen sterben im August ab, weil sie das Salzwasser nicht mehr genug verdünnen können.
Allzu lange darf Queller übrigens nicht vollständig von Meerwasser bedeckt sein: Die Sprossen müssen „atmen“ können. Unter der Oberfläche fehlt ihnen das Kohlendioxid, das sie benötigen, um daraus zusammen mit Wasser und Sonnenenergie Zucker herzustellen. Der Lebenszyklus würde also gestört, und die Pflanzen hätten keine Nahrung mehr.
In Nordsibirien und Südafrika
An die Bedingungen im Wattenmeer und in den Salzwiesen hat sich der Queller so gut angepasst, dass er an Norwegens Nordkap und im russischen Nordsibirien ebenso vorkommt wie in Nordamerika, Südafrika und Teilen Asiens. An der Nordseeküste und auf den Inseln wächst er oft im Flutsaum von Naturschutz- und Brutgebieten, zu denen der Zutritt verboten ist. An der Ostsee findet man ihn seltener, weil das Meer weniger Salz enthält und es wegen der schwachen Gezeiten kaum Schlickwatt gibt.
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