Der Rauschgift-Markt verändert sich schnell – und das wirft juristische sowie medizinische Probleme auf

Städte wie Cham, Bayreuth oder Landshut fallen einem nicht als Erstes ein, wenn man an florierenden Drogenhandel und seine fatalen Folgen denkt – an Sucht, Kriminalität und Krankheit. Doch tatsächlich haben es die abgelegenen Regionen am südöstlichen Rand der Bundesrepublik genau damit in zunehmendem Ausmaß zu tun. Der Grund heißt „Crystal Meth“, eine Droge, die aussieht wie Seife, äußerst schnell abhängig macht und im nahen Tschechien einfach und billig zu bekommen ist. Die Anzahl der Erstkonsumenten habe sich innerhalb nur eines Jahres verdreifacht, meldet das Bundeskriminalamt. Allein in Sachsen soll es einige Tausend Süchtige geben.

Alter Stoff, neues Problem
Crystal ist eigentlich eine alte Droge. Es handelt sich um Methamphetamin. Die aufputschende Substanz wurde im Zweiten Weltkrieg Soldaten zur Leistungssteigerung verabreicht. Als Pervitin war sie in Tablettenform bis in die 80erJahre auf Betäubungsmittel-Rezept erhältlich. In kristalliner Form lässt sich „Meth“ auch inhalieren, schnupfen oder spritzen, was den Wirkungseintritt beschleunigt. 
Dieser sogenannte Kick von Crystal soll das Suchtpotenzial beträchtlich erhöhen.
Die schnell eintretende Abhängigkeit führt zu Verwahrlosung und psychischer Veränderung der Konsumenten: Sie neigen zu Aggressivität, depressiver Verstimmung und Schlafstörungen. Körperliche Schäden drohen durch herstellungsbedingte Verunreinigungen der Substanz. Verdünner und Lösungsmittel greifen Leber und Gehirn an – vor allem wenn sie durch Injektion oder Inhalation unmittelbar in die Blutbahn gelangen.

Liberale Drogengesetze in Tschechien und die offene Grenze zu dem EU-Nachbarn haben dem Drogenhandel in der Provinz den Weg bereitet. Noch viel schlechter kontrollieren und erfassen lässt sich der Verkauf von Rauschgift im Internet, zumal dort überwiegend synthetisch hergestellte Stoffe angeboten werden, die oft nicht unter das Betäubungsmittelgesetz fallen, also legal sind. Bei den meisten dieser „Legal Highs“ handelt es sich um synthetische Cannabinoide, die dem Haschisch nachempfunden sind. Vermischt mit Duftstoffen, werden sie als „Räuchermischung“ angeboten. Zwar reagiert der Gesetzgeber und unterstellt einschlägige Stoffe dem Betäubungsmittelgesetz, wie zuletzt im Juli. Doch es tauchen genauso schnell neue auf. Im vergangenen Jahr machte die Europäische Drogenbeobachtungsstelle (EBDD) 23 bis dahin unbekannte Substanzen aus, die in Umlauf waren.

„Nur mal probieren“
Repräsentative Umfragen in Frankfurt am Main sagen aus, dass knapp zehn Prozent der Jugendlichen Erfahrung damit haben. Allerdings würde die Mehrzahl laut Experten der Goethe-Universität „nur mal probieren“ wollen. Lediglich ein Prozent rauche regelmäßig „Duftmischung“. Experten sind allerdings der Ansicht, dass der Gebrauch in entlegenen Gegenden verbreiteter sein könnte, dort, wo der herkömmliche Drogenmarkt schwerer zu erreichen ist.
Das Zentrum für Suchtmedizin der Universität Regensburg führt als eine Hauptgefahr die Unberechenbarkeit der Stoffe auf. Die Konsumenten klagen teilweise über heftige Nebenwirkungen wie Herzrasen oder Kopfschmerzen. Wie sich die Drogen langfristig auswirken, ist unklar.

Gewaltexzess auf Droge
Noch riskanter scheint der Gebrauch sogenannter Cathinone, die über die gleichen Kanäle vertrieben werden, aber – wie Kokain – aufputschend wirken. Die unterschiedlichen, als „Badesalz“ gängigen Synthetikdrogen können Psychosen und Nierenversagen auslösen. Außerdem soll ihre enthemmende und antriebssteigernde Wirkung in Einzelfällen zu schweren Gewaltexzessen geführt haben. Mehrere Stoffe wurden bereits verboten. Doch das Katz-und-MausSpiel, das Drogendesigner und -händler mit den Gesundheitsinstitutionen und Ordnungshütern treiben, geht weiter.

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