Wird der Hüftkopf nicht mehr ausreichend durchblutet, stirbt er ab. Gezielte Stromstöße sollen das verhindern
Ein Hüftinfarkt ist tückisch. Der Körper schlägt zwar anfangs Alarm und warnt mit stechenden Hüftschmerzen. Doch diese klingen meist bald ab, sodass viele Patienten keinen Arzt aufsuchen. „Sie denken, sie hätten sich übernommen oder einfach einen schlechten Tag“, beschreibt Dr. Hansjörg Heep, Oberarzt im Evangelischen Krankenhaus Essen-Werden, das Verhalten vieler Hüftinfarkt-Patienten.
„Deswegen kommt es so oft zu einer verspäteten Diagnose.“ Sobald die ersten Warnsignale abgeklungen sind, verschlimmert sich die Durchblutungsstörung meist stumm. Wegen der schlechten Durchblutung ist die Versorgung mit Nährstoffen und Sauerstoff mangelhaft. Das Knochengewebe stirbt allmählich ab. Ärzte sprechen von einer Nekrose. Am Ende bricht der morsche Hüftkopf in sich zusammen.
Die Heilungschancen für die Hüftkopfnekrose sind schlecht. Da die Ursachen der Mangeldurchblutung oft nicht bekannt sind, zielt die herkömmliche Therapie mit durchblutungsfördernden Arzneien oder Operationen darauf ab, das Absterben des Knochens aufzuhalten. Doch je fortgeschrittener der Abbau, desto weniger lässt sich tun. Bricht der Hüftkopf ein, hilft nur noch eine Prothese.
Durch eine frühe Behandlung mit Strom ließe sich der Einsatz eines künstlichen Hüftgelenks vielfach vermeiden, meint Professor Wolfram Mittelmeier von der Orthopädischen Universitätsklinik in Rostock. „Bei den 200 Patienten, die wir in den vergangenen vier Jahren mit Elektrostimulation behandelten, konnten wir die Erfolgschancen von 50 auf 80 Prozent anheben.“
Knochen erholt sich
Das Grundprinzip der Methode ist älter als 30 Jahre. Es beruht auf der Erkenntnis, dass Strom Zellen zur Teilung anregt – auch im Knochengewebe. Im Bereich des Hüftkopfs können Elektroimpulse sowohl die Zellen im Knochen als auch die Gefäße zum Wachsen bringen. Das unterstützt die Selbstheilungskräfte des Körpers. Im Idealfall erholt sich der Knochen des Hüftkopfs und wird wieder besser mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgt.
Um Strom in den Knochen zu führen, bedienten sich Mittelmeiers Vorgänger zweier Schrauben plus Magnetspule. Das erforderte die exakt parallele Ausrichtungder Schrauben im Knochen; zudem riss die dünne Spule öfter. Eine Weiterentwicklung des Verfahrens hat den Aufwand stark verringert. Es gelang, das mehrteilige System in eine einzige Schraube zu packen. „Eine praktische Verbesserung mit operationstechnischen Folgen“, nennt Mittelmeier das. Für das minimal-invasive Einbringen der Schraube brauchen die Rostocker Orthopäden nur noch 20 bis 30 Minuten.
Patient legt selbst Hand an
Die restliche Behandlung führt der Patient selbst durch. Drei Monate lang muss er dreimal täglich für 45 Minuten von außen elektrische Energie zuführen, die an den Hüftkopf weitergeleitet wird. Bis zu sechs Wochen nach der OP sollten Patienten die Hüfte entlasten, etwa durch Gehstützen, häufiges Sitzen oder Liegen. „Bei einem geschwächten Hüftkopf birgt jede Belastung die Gefahr, dass er einbricht“, warnt Mittelmeier. Nach drei Monaten können die Patienten die Hüfte voll belasten – ohne aufwendige Reha. Dies mag einer der Gründe sein, weshalb viele Krankenkassen die Kosten der Behandlung tragen.
Ein Allheilmittel, sagt Mittelmeier, sei die Schraube nicht. In weit fortgeschrittenem Stadium oder wenn das Gelenk durch Arthrose verschlissen ist, können die Stromimpulse nicht helfen. Sein dringender Rat: „Wer ohne erkennbaren Grund starke Hüftschmerzen hat, sollte sich zügig bei einem Orthopäden melden.“
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