Babys brauchen nicht durchzuschlafen. Aber Eltern können ihnen helfen, wieder in den Schlummer zu finden. Experten geben Tipps

Dunkle Schatten unter den Augen, ein Gähnen auf den Lippen – und die mitleidige Frage der Nachbarin: „Na, schläft der Kleine immer noch nicht durch?“ Babys halten ihre Eltern nachts ziemlich auf Trab. Zwar schlummern Säuglinge im ersten Lebensjahr durchschnittlich fast 15 Stunden täglich – aber Neugeborene unregelmäßig über 24 Stunden verteilt und anfangs oft nicht länger als 1,5 Stunden am Stück.

Trotzdem: Die Frage der Nachbarin ist falsch. Kinder müssen nicht das Durchschlafen lernen, sondern das Alleine-wieder-Einschlafen. Auch Erwachsene schlafen nicht immer bis morgens durch, sie finden nur leichter zurück ins Land der Träume. „Kinder können das innerhalb eines halben Jahres problemlos ebenso erlernen“, sagt Professor Christian Poets, ärztlicher Direktor der Abteilung Neonatologie an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin in Tübingen.
 
Vorausgesetzt, die Eltern unterstützen sie richtig dabei. Deshalb rät der Arzt von vermeintlichen Einschlafhilfen wie ausdauerndem Herumtragen, Nuckelflaschen oder Spazierfahrten ab. „Das Kind gewöhnt sich daran und kann bald nur noch auf diese Weise in den Schlaf finden.“ Wenn Ihr Kleines nachts aufwacht, braucht es Ihre Nähe. Versuchen Sie herauszufinden, was ihm fehlt. Vielleicht hat es Hunger. Das kann bei Säuglingen durchaus etwa alle 1,5 Stunden der Fall sein. Lassen Sie Ihr Baby dann nicht warten. Erst mit etwa einem halben Jahr benötigen die meisten Kinder nachts keine Mahlzeiten mehr.
 
Manchmal will das Baby aber auch nur getröstet werden. Dann reicht es unter Umständen, sich einfach ein paar Minuten zu ihm zu setzen und es mit Worten und Streicheleinheiten zu besänftigen. Falls es weiter weint, nehmen Sie es ruhig auf den Arm.

Am besten aufgehoben ist Ihr Kind im Elternschlafzimmer, aber in seinem eigenen Bettchen. Zum einen ist das praktischer, wenn Sie stillen. Zum anderen schlafen die Kleinen oft ruhiger. Etwa ab dem ersten Geburtstag raten Experten zum Umzug in ein separates Zimmer. Es kann einige Tage dauern, bis sich Ihr Kind an seine neue Umgebung gewöhnt hat. Lassen Sie sich nicht verunsichern, wenn es am Anfang ein bisschen weint.
 
„Kinder merken sonst schnell, dass sie die Eltern in der Hand haben“, sagt Dr. Alfred Wiater, Chefarzt der Kinderklinik des Kölner Krankenhauses Porz am Rhein. „Sie entwickeln dann ein ausgeprägtes Dominanzverhalten und zögern das Schlafen hinaus.“ Sein Rat: Bauen Sie tagsüber Trennungen in den Alltag mit dem Kleinen ein. Verabschieden Sie sich immer wieder für kurze Zeit, und verlassen Sie das Zimmer. So lernt der Nachwuchs, dass Trennungen von Mutter oder Vater normal sind. Und vor allem, dass die Eltern zuverlässig zurückkommen.

Ob noch ganz klein oder ein bisschen größer: Kinder kommen leichter zur Ruhe, wenn Eltern schon eine Weile vor dem Einschlafen alle Hektik und Aufregung vermeiden. „ Eine Reizüberflutung kann Schlafstörungen verursachen“, erklärt Wiater. Fernsehen und Toben sind unmittelbar vor der Schlafenszeit tabu. Lesen Sie lieber noch etwas vor, wenn Ihr Kind im Bett liegt, oder sprechen Sie mit ihm über den Tag. Vielleicht dimmen Sie dabei auch ein wenig das Licht. Entwickeln Sie ein Ritual, das Sie all abendlich wiederholen. Ein fester Ablauf macht Kindern die Umstellung von Tag auf Nacht leichter.
 
Gibt es ständig Terz ums Einschlafen, greifen Eltern manchmal verzweifelt zu Schlaflernprogrammen. „Studien zeigen, dass diese effektiv sind“, sagt Christian Poets. Trotzdem gibt es Kritiker. Denn die Programme fordern meist, Tränen und Schreien zu ignorieren. Für Eltern bedeutet das: Sie kämpfen gegen ihr natürliches Bedürfnis an, ihr Kind in den Arm zu nehmen, zu trösten. Das kostet Nerven. Für Babys eignen sich solche Programme gar nicht.
 
„Säuglinge sind mit dieser Verhaltenstherapie überfordert“, sagt Alfred Wiater. Sie können das Handeln der Eltern überhaupt nicht nachvollziehen, geraten in Panik. Versuchen Sie es mit solchen Ratgebern also frühestens, wenn Ihr Kind alt genug ist, um Erläuterungen zu verstehen wie „Wir gehen aus dem Zimmer, aber wir bleiben nebenan in deiner Nähe“. Am besten suchen Sie sich dafür professionelle Unterstützung. Christian Poets ist überzeugt: „Persönliche Beratung hilft besser als Bücher.“ Qualifizierte Ansprechpartner finden Eltern in spezialisierten Kinderkliniken oder bei Beratungsstellen. Väter und Mütter von Babys können sich auch an Schreisprechstunden oder die Hebamme wenden.
 
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