Von gefährlichen nächtlichen Atemaussetzern sind beide Geschlechter betroffen. Bei Frauen wird die Krankheit aber häufig nicht erkannt

Es gibt Dinge, die sind typisch männlich – beispielsweise das Schnarchen. Die nächtliche Geräuschkulisse, die die Partnerin wach hält, kann die Lautstärke eines fahrenden Lastwagens erreichen. Für sie ist das lästig, für den Schnarcher selbst kann es gefährlich sein. Nicht selten wird das Sägen von Atemaussetzern unterbrochen, die mehrere Sekunden dauern – bisweilen sogar länger als eine Minute. Fachleute sprechen vom obstruktiven Schlafapnoe-Syndrom.

Der Sauerstoffmangel führt schnell zu Stressreaktionen des Körpers – mitten in den eigentlich für die Erholung wichtigen Tiefschlafphasen. Als Folge kommt es nicht nur zu massiven Störungen der Tagesbefindlichkeit, auf Dauer drohen auch ernsthafte Herz-Kreislauf-Komplikationen.

Doch was heißt typisch männlich? Auch das weibliche Geschlecht ist gegen diese Gefahr nicht gefeit. Zwar sind Männer offenbar deutlich häufiger betroffen, doch immerhin auch etwa zwei Prozent der Frauen zwischen 30 und 60 Jahren leiden an Schlafapnoe, schätzen Schlafmediziner. Mit zunehmendem Alter und nach Einsetzen der Menopause ist die Häufigkeit bei beiden Geschlechtern sogar vergleichbar.

Die falsche Scham

Dass Frauen seltener darüber klagen, könnte daran liegen, dass sie das als männlich geltende Symptom lieber nicht öffentlich machen. Oder sie wissen gar nichts davon, denn häufig bemerkt der Partner das Schnarchen und die mitunter beängstigenden Atemstillstände als Erster. Weil aber vor allem Frauen im höheren Lebensalter oft allein leben und schlafen, da der Partner gestorben ist, bleiben die nächtlichen Geräusche vielfach unbemerkt.

Gefährliche Müdigkeit

Das Beschwerdebild einer obstruktiven Schlafapnoe unterscheidet sich zudem grundlegend bei den Geschlechtern. Zwar zählen Schnarchen, Atemstillstände und eine sehr starke Müdigkeit am Tag mit Einschlafdrang bei Männern wie Frauen zu den Hauptsymptomen. Die Beschwerden sind aber bei Männern deutlich ausgeprägter.
Vor allem die Tagesmüdigkeit kann zum Beispiel für Kraftfahrer, Lokführer und ähnliche Berufsgruppen gefährlich werden. Solche Tätigkeiten üben überwiegend Männer aus. Es ist also denkbar, dass die Müdigkeit bei Frauen weniger wahrgenommen wird, weil Konsequenzen für die Allgemeinheit wie Arbeits- oder Wegeunfälle ausbleiben.
Frauen mit Schlafapnoe leiden stattdessen häufiger unter morgendlichen Kopfschmerzen, Ängstlichkeit und Depressionen sowie unter Ein- und Durchschlafstörungen. Ein häufiger Gebrauch von Schlafmitteln könnte daher auch ein Hinweis auf ein Schlafapnoe-Syndrom sein.
Subjektiv empfinden Frauen ihren Schlaf im Vergleich zu Männern oft als schlechter, und sie erwachen weniger ausgeruht. Vor allem aber sind Depressionen bei betroffenen Frauen deutlich häufiger als bei Männern.
Eine Studie der Universitätsklinik Sevilla (Spanien) hat gezeigt, dass von 970 Männern mit einer obstruktiven Schlafapnoe etwa 12,7 Prozent an einer Depression erkrankt waren, während der Anteil bei Frauen 35,7 Prozent betrug. Auch eine Schilddrüsenunterfunktion und Libidostörungen sind nicht selten typische Begleitbeschwerden.

Die Anatomie spielt eine Rolle

Es gibt mehrere Gründe für die unterschiedliche Schlafapnoe-Symptomatik bei Männern und Frauen. Erstens spielen die anatomischen Gegebenheiten eine Rolle. Männer haben einen längeren, weicheren Gaumen und eine vergleichsweise große Zunge, die in Rückenlage leichter zurückfällt und dann die Atemwege blockiert.
Zweitens ist die Verteilung des Körperfetts von Bedeutung – vor allem wenn Übergewicht im Spiel ist. Während Frauen eher um die Hüften zunehmen, sammelt sich bei dicken Männern auch viel Fett im Brustbereich und im Nacken an. Das kann wiederum dazu beitragen, dass die nächtliche Atmung stärker beeinträchtigt wird.
Und drittens sind die Hormone beteiligt: Progesteron schützt Frauen vermutlich vor allzu starkem Schnarchen. Dennoch, meinen Schlafmediziner, werde die Häufigkeit des obstruktiven Schlafapnoe-Syndroms bei Frauen noch immer unterschätzt.
Obwohl das Beschwerdebild sich bei Männern und Frauen so deutlich unterscheidet, muss man dieselben Behandlungsansätze verfolgen. Vor allem sollte man bei depressiven Verstimmungen oder Schlafstörungen immer auch ein Schlafapnoe-Syndrom in die Ursachenforschung einbeziehen.
Medikamente gegen die nächtlichen Atemaussetzer gibt es nicht. Die derzeit beste und effektivste Methode ist die nächtliche Überdruckbeatmung. Diese CPAP-Therapie, so heißt die Methode in der Fachsprache, erfordert, dass der Patient – meist lebenslang – nachts eine Nasenmaske trägt. Ein kleiner Kompressor erzeugt dabei Luft mit leichtem Überdruck und leitet sie über die Maske in die Atemwege.
Viele Betroffene schrecken zunächst davor zurück, weil sie sich nicht vorstellen können, im Schlaf eine Atemmaske zu tragen. Wer aber wirklich unter der massiven Tagesmüdigkeit leidet, der empfindet die Therapie als Erleichterung und als Hilfe zur Steigerung der Lebensqualität.

Zahnspangen und Operationen

Oft überzeugt schon die erste Nacht im Schlaflabor, wo die Patienten die CPAP-Therapie ausprobieren. Zudem sind die Geräte inzwischen relativ klein und leise. An das Betriebsgeräusch gewöhnen sich Patient und Partner meist sehr schnell – es wird als weniger unangenehm empfunden als das laute Schnarchen.
Eine weitere Therapiemöglichkeit bei leichten bis mittelschweren Formen der Schlafapnoe stellt eine individuell angefertigte Zahnspange dar, die Protrusionsschiene. Sie wird nur nachts eingesetzt und verhindert, dass der Mund ganz aufklappt. Zudem schiebt sie den Unterkiefer etwas nach vorn und erleichtert so die störungsfreie Atmung im Schlaf.
Manchmal können chirurgische Eingriffe das Schnarchen stoppen, beispielsweise die Entfernung vergrößerter Gaumenmandeln. In Einzelfällen kann auch ein minimalinvasiver Eingriff am Gaumensegel mithilfe von Radiofrequenzwellen das Schnarchen verringern. Dabei wird punktuell der weiche Gaumen behandelt, was zu einer Vernarbung und einer daraus resultierenden Straffung führt.
Solche und andere Operationen eignen sich aber nicht für jeden Schnarcher0. Zudem versprechen sie nicht in jedem Fall Erfolg. Die CPAP-Methode helfe sicher und ist deshalb noch immer die Therapie der ersten Wahl.

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