Die Bildung von Gasen im Darm ist normal. Trotzdem haben viele Probleme mit abgehenden Winden. Was dahinterstecken kann und wie Sie dagegen angehen können

Man spricht nicht gern darüber. Aber der Leidensdruck ist groß. Zehn bis 30 Prozent der Deutschen leiden unter Blähungen, so schätzen Experten. Der Bauch spannt, manchmal bringen abgehende Winde zwar Erleichterung, aber – wie peinlich – tönen hörbar oder riechen sogar. Je länger das Leiden dauert, desto mehr wächst die Sorge, es könnte eine ernste Erkrankung hinter den Beschwerden stecken.

„Wenn zu den Blähungen Alarmsymptome wie Blut im Stuhl, Fieber, unerträgliche Schmerzen, Krämpfe oder ein Gewichtsverlust kommen“, sagt Professor Hans-Dieter Allescher, Gastroenterologe und Chefarzt am Klinikum Garmisch-Partenkirchen, „sollte man unbedingt zum Arzt gehen.“
In der Regel sind Blähungen aber nicht lebensbedrohlich. Trotzdem erleichtert es die Betroffenen zu wissen, was hinter dem Grollen im Darm steckt. Wir geben Ihnen einen Überblick über die fünf wichtigsten Auslöser:

Ursache Nummer 1: Bohnen & Co.

Bei der Verdauung entstehen Gase, das ist ganz normal. Alle Nahrungsbestandteile, die im Dünndarm nicht verwertet werden können, gelangen in den Dickdarm. Die dort siedelnden Bakterien erzeugen daraus neben Säuren die geruchlosen Gase Wasserstoff, Kohlendioxid und Methan. Diese werden zum größten Teil ins Blut aufgenommen und über die Lunge abgeatmet. Nur ein kleiner Teil von 500 bis 1500 Milliliter täglich wird zum Darmausgang transportiert und entweicht dort in Form von Winden, ohne Beschwerden zu bereiten.

Probleme treten erst bei einer übermäßigen Gasbildung auf, etwa durch blähende Lebensmittel. „Hülsenfrüchte erzeugen zum Beispiel zehnmal so viele Gase wie die übliche Kost“, sagt Allescher.

Weitere starke Gasbildner sind Obstdicksäfte und Vollkornprodukte. Auch Zwiebeln, Lauch, verschiedene Kohlsorten und Eier können Geruchsprobleme bereiten. Bei ihrem Abbau entstehen Schwefelverbindungen im Darm, die schon in kleinen Mengen große Wirkung zeigen.

Vor allem wer seinen Speiseplan auf weniger Fleisch, dafür mehr Gemüse, Obst und Vollkornprodukte umstellt, kann ein Lied davon tönen. „Dann nicht gleich aufgeben, sondern sich Zeit nehmen und die Mengen an ungewohnten Lebensmitteln kontinuierlich steigern“, empfiehlt der Magen-Darm-Experte. „Die Darmflora muss sich erst auf die neuen Aufgaben einstellen.“

 
Sensible Darmwand 
 
Nicht immer lassen sich Blähungen durch eine vermehrte Gasbildung im Darm erklären. „In bis zur Hälfte der Fälle spielt eine erhöhte Empfindlichkeit der Darmwand eine Rolle, wie sie beim Reizdarmsyndrom auftritt“, sagt Professor Hans-Dieter Allescher. „Obwohl sie organisch gesund sind, ist die Lebensqualität mancher Patienten erheblich beeinträchtigt.“

Die Pille gegen Reizdarm gibt es nicht, jeder muss selbst ausprobieren, ob ihm Entspannung, bewusstes Essen, eine Verhaltenstherapie oder Medikamente Erleichterung bringen.

 
Milchverdauer fehlt 
 
Wenn es an dem Milchzucker (Laktose) abbauenden Enzym Laktase mangelt, wird Laktose nicht in Glukose und Galaktose gespalten, sondern gelangt unverdaut in den Dickdarm und wird dort von Bakterien abgebaut. Dabei bilden sich Gase und Substanzen, die Wasser im Stuhl binden und Durchfälle auslösen. Den entstandenen Wasserstoff kann man in der Ausatemluft messen und so die Krankheit nachweisen.

Zehn bis 15 Prozent der Deutschen leiden an diesem Enzymmangel. Einzige Therapiemöglichkeit ist eine Diät. Laktose ist natürlicherweise nur in Milch und Milchprodukten enthalten. Inzwischen gibt es die Molkereiprodukte aber auch ohne Milchzucker. Reifer Käse, Fleisch, Eier, Getreide, Gemüse und Obst sind frei davon.
 
„Nicht für jeden Betroffenen ist Laktose völlig tabu“, erklärt Dr. Birgit Terjung, Gastroenterologin und Ernährungsmedizinerin an der Uniklinik Bonn. „Jeder Einzelne muss für sich herausfinden, wie viel Milchzucker er verträgt.“
 
25 bis 35 Gramm Milchzucker enthält unser täglicher Speiseplan im Durchschnitt. Die meisten Betroffenen können problemlos bis zu 10 Gramm Laktose am Tag essen, nur wenige müssen vollständig darauf verzichten.

Dann können auch Brötchen, Wurst und Fertiggerichte zum Problem werden. Ihnen ist nämlich oft Milch oder Milchzucker zugesetzt. Seit November 2005 muss dies jedoch bei verpackten Lebensmitteln in der Zutatenliste aufgeführt sein. Schwieriger ist es, im Restaurant den Laktosegehalt eines Essens einzuschätzen. Dann kann es sinnvoll sein, ein Laktasepräparat aus der Apotheke einzunehmen.

Wer keine Milchprodukte isst, sollte auf ausreichend Kalzium in Form von Brokkoli, Lauch und Fenchel, Orangen und Beerenobst sowie Mineralwasser mit mehr als 150 Milligramm Kalzium je Liter achten.

 
Extra: Ist Histamin schuld?
 
Treten nach dem Essen manchmal Blähungen und Durchfall, öfter Kopfschmerzen, Fließschnupfen oder Hautrötung auf, ohne dass eine Allergie vorliegt, kommt als Ursache eine Histamin-Unverträglichkeit infrage. Im Blut lässt sich ein Mangel an Histamin abbauendem Enzym feststellen.

Erfahrungsgemäß bessern sich die Symptome, wenn histaminreiche Lebensmittel wie Rotwein, reifer Käse, Gepökeltes, Thunfisch in Dosen, Hefebackwaren oder Sauerkraut gemieden werden.
 

Krankmacher Getreide 
 
In Kombination mit Durchfall können starke Blähungen auch eine Unverträglichkeit gegenüber Gluten anzeigen. Dieses Eiweiß kommt in unseren einheimischen Getreidesorten Weizen, Roggen, Dinkel, Gerste und Hafer vor. Mais, Reis, Hirse und Buchweizen sind dagegen frei davon.

Essen die betroffenen Menschen glutenhaltige Nahrungsmittel, entzündet sich die Dünndarmschleimhaut, langfristig bilden sich die Darmzotten zurück, und Nährstoffe werden zunehmend schlechter aufgenommen.

„Zöliakie-Patienten nehmen meist ab und haben oft Anzeichen von Osteoporose oder Vitaminmangel“, sagt Dr. Severin Daum, Oberarzt an der Berliner Charité. Zehn bis 20 Prozent der Zöliakiefälle in Deutschland werden erst im Seniorenalter festgestellt, schätzt der Magen-Darm-Experte.

Medikamente gegen Zöliakie gibt es nicht. Wichtigste Maßnahme ist eine absolut glutenfreie Ernährung. „Bereits ein achtel Gramm Weizen am Tag kann Beschwerden auslösen“, erläutert Sofia Beisel, Leiterin der Geschäftsstelle der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft. Schon der gemeinsam mit gesunden Familienmitgliedern benutzte Toaster ist ein Problem.

Für Betroffene gibt es Spezialbrote auf Basis von Mais oder Hirse. Vorsicht bei Nahrungsmitteln wie Wurst, Milchprodukten mit Frucht, fettreduzierten Produkten, Ketchup und Senf: Sie können Weizen und damit Gluten enthalten, die Zutatenliste weist das aber aus.  

 
Zuckerkrankheit 
 
Normalerweise finden sich Bakterien nur im Dickdarm des Menschen. Anders bei manchen Diabetes-Patienten. Bei ihnen ist infolge von Nervenschäden die Beweglichkeit des Dünndarms gestört. Dadurch kann er sich nicht wie beim Gesunden selbst reinigen, und es siedeln sich auch hier Bakterien an. Diese bilden genau wie Dickdarmbakterien aus Nahrungsbestandteilen Säuren und Gase, die die Darmwand dehnen und ein unangenehmes Völlegefühl erzeugen.

Bestehende Nervenschäden lassen sich zwar nicht wieder rückgängig machen. Durch eine gute Einstellung des Diabetes kann man aber weiteren Schäden vorbeugen. Behandeln lassen sich nicht die Ursachen, sondern nur die Blähungen selbst.
 
Senioren Ratgeber, Bildnachweis: Digital Vision