Husten, Schnupfen und Halsweh treffen fast jeden. Bewährte Mittel sorgen für Linderung

Das Aus kam nach mehr als 45 Jahren: Am 31. August nahm das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sämtliche Hustensäfte, -tropfen und -dragees mit dem Wirkstoff Clobutinol vom Markt.

In einer aktuellen klinischen Studie hatte der seit 1961 in der Selbstbehandlung von trockenem Reizhusten bewährte Hustenblocker bei gesunden Probanden das Risiko für lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen erhöht. Obwohl Experten das Risiko insgesamt als gering einstufen, sollten Restbestände in der Hausapotheke nicht mehr verwendet werden – zumal es bei Husten genug Alternativen gibt.

„Zu Beginn einer Erkältungskrankheit kann man sich getrost an die bewährten Hausrezepte unserer Großmütter halten“, erklärt Dr. Erwin Häringer, Facharzt für Allgemeinmedizin und Naturheilverfahren aus München.

Offenbar beherzigen die meisten Deutschen diesen Rat ohnehin: Laut einer repräsentativen GfK-Umfrage im Auftrag der Apotheken Umschau wenden rund 83 Prozent der Bundesbürger bei leichteren Erkrankungen bewährte Selbstheilungsmethoden und Hausmittel an: 53 Prozent etwa haben es bereits mit Inhalationen probiert, 43 Prozent mit Wickeln und Umschlägen, 33 Prozent mit Mundspülungen.

Jeder zweite Deutsche hat zudem Erfahrung mit Heilkräuter-Tees. Der Erfolg kann sich sehen lassen: Rund 80 Prozent der Befragten gaben an, durch die Eigentherapie eine spürbare Besserung erfahren zu haben. „Bei selbstbegrenzenden Krankheiten wie einer Erkältung sind Hausmittel durchaus einen Versuch wert“, bestätigt Professor Theodor Dingermann vom Institut für Pharmazeutische Biologie der Universität Frankfurt. „Wie bei jeder Therapie gibt es Menschen, die darauf ansprechen, und solche, die es nicht tun.“

Ein bekanntes Sprichwort lautet: Eine Erkältung dauert ohne Behandlung eine Woche und mit Behandlung sieben Tage. „Da ist schon was dran“, bestätigt Häringer. „Es kommt jedoch darauf an, wie ich diese Woche verbringe.“ Da es gegen Erkältungsviren keine ursächliche Therapie gibt und das Immunsystem alleine mit ihnen fertig werden muss, ändern Arzneimittel wenig an der Krankheitsdauer. „Zumindest aber“, betont Häringer, „lindern sie lästige Symptome wie Halsschmerzen, Schnupfen und Husten.“

Das wissen die Bundesbürger offenbar zu schätzen. Unter den rezeptfreien Arzneien erzielen Erkältungsmittel mit deutlichem Abstand den größten Umsatz: Im Jahr 2006 gaben die Deutschen mehr als eine Milliarde Euro dafür aus, davon rund 315 Millionen für pflanzliche Medikamente.

Für viele pflanzliche Erkältungsmittel liegen wissenschaftlich fundierte Wirksamkeitsnachweise vor. „Gut untersucht sind zum Beispiel Efeu bei verschleimtem Husten“, berichtet Dingermann, „oder Kapland-Pelargonie bei akuter Bronchitis.“ Auch Kombinationspräparate mit Schlüsselblume, Enzian und Holunder schneiden in Studien gut ab: Bei bakteriellen Nebenhöhlenentzündungen verkürzen sie den Krankheitsverlauf und steigern die Wirksamkeit von Antibiotika.

Drei bis vier Erkältungen pro Jahr gelten für einen Erwachsenen als normal, bei Kindern deutlich mehr. Die Beschwerden treten gehäuft in der kalten Jahreszeit auf. „Bei Kälte wird die Nasenschleimhaut schlechter durchblutet“, erklärt Professor Friedrich Bootz von der Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde der Universität Bonn. „Ihre Abwehrfunktion lässt nach, Erreger können besser eindringen.“

Da es mehr als 200 verschiedene Erkältungsviren gibt, macht ein überstandener Schnupfen nicht dauerhaft immun. „Die nächste Erkältung“, sagt Professor Matthias Stoll, Infektiologe und Immunologe an der Medizinischen Hochschule Hannover, „wird meist durch einen anderen Virustyp verursacht.“ Halsweh, Schnupfen und Husten setzen den Betroffenen zwar zu, Experten sehen das verbreitete Schniefen zur Winterzeit aber keineswegs nur negativ: Erkältungen können auch das Immunsystem trainieren.

„Trotzdem sollte in unserer Gesellschaft die Hustenetikette wieder mehr gepflegt werden“, fordert Stoll. „Man sollte andere nicht direkt anhusten oder anniesen, Papiertaschentücher benutzen und regelmäßig die Hände gründlich waschen.“

Für den Allgemeinmediziner Häringer sind Erkältungen in erster Linie ein Warnsignal des Körpers. „Nutzen Sie die Chance, einen Gang herunter zuschalten“, betont er. „Ruhe ist die wichtigste Maßnahme bei grippalen Infekten.“

Warum Erkältungen häufig mit starker Müdigkeit einhergehen, haben Forscher vom Universitätskrankenhaus Zürich kürzlich herausgefunden: Eine der Waffen, die das Immunsystem im Kampf gegen Infektionen aktiviert – ein Protein namens TNF-alpha –, dämpft die Funktion unserer inneren Uhr. Ein verminderter Bewegungsdrang und körperliche Erschöpfung sind die Folgen. Bei akuten Infektionen macht diese Kopplung durchaus Sinn: Schließlich hilft sie dem Körper, sich besser zu erholen.

Erkältungen in Ruhe auskurieren

„Berufstätige können es sich heute kaum noch leisten, sich in Ruhe zu Hause auszukurieren“, bedauert Häringer. Wer jedoch Schädelbrummen und Fieber mit Medikamenten unterdrückt und sich aus Pflichtbewusstsein mühsam zur Arbeit schleppt, tut sich und seiner Umgebung keinen Gefallen. „Fieber ist eine sinnvolle Abwehrreaktion des Körpers und verhindert, dass die Viren ihr infektiöses Erbgut an die Zellen abgeben“, erklärt Häringer. „Fiebersenkende Maßnahmen sind deshalb erst ab 39 Grad sinnvoll.“

Außerdem steckt der Betroffene andere leicht an und riskiert, seine Krankheit zu verschleppen – mit möglicherweise schwer wiegenden Folgen. „Banale Infekte sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen“, warnt HNO-Experte Bootz. „Man weiß nie, wie sie sich entwickeln.“

Häufigste Komplikation ist die Sinusitis, eine bakterielle Entzündung der Nasennebenhöhlen. „Durch den Virusinfekt schwillt die Schleimhaut im gesamten Nasen-Rachen- Raum an“, erklärt Bootz. „Die Öffnungen der Nebenhöhlen verschließen sich, das Sekret kann nicht mehr abfließen.“ Es bildet einen idealen Nährboden für eindringende Bakterien, die auf der geschädigen Schleimhaut ohnehin leichtes Spiel haben.

Eine vor allem bei Kindern gefürchtete Komplikation ist die akute Mittelohrentzündung: Der Verbindungsgang zum Ohr und somit der Infektionsweg ist bei ihnen kürzer. „Die wichtigste Maßnahme zur Vermeidung derartiger Komplikationen sind abschwellende Nasentropfen“, erklärt Bootz. „Sie ermöglichen eine ausreichende Belüftung von Nebenhöhen und Mittelohr, dürfen jedoch nur vorübergehend eingesetzt werden.“

Bei bakteriellen Folgeinfektionen führt an einem Antibiotikum oft kein Weg vorbei. „Diese hochwirksamen Arzneimittel gehören unbedingt in die Hand des Arztes“, betont Bootz. „Nur er kann erkennen, ob tatsächlich eine bakterielle Infektion vorliegt.“ Hinter plötzlich auftretendem starkem Krankheitsgefühl mit hohem Fieber, Schüttelfrost und heftigen Kopfschmerzen kann auch eine Virusgrippe, die Influenza, stecken.

„Ein medizinischer Laie kann eine echte Grippe meist nicht von einem grippalen Infekt oder einer bakteriellen Infektion unterscheiden“, erklärt Bootz. „Da die echte Grippe zu lebensbedrohlichen Komplikationen wie Lungen- und Herzmuskelentzündungen führen kann, sollte der Patient im Zweifelsfall unbedingt zum Arzt.“

Experten raten spätestens im November zur Grippe-Impfung. „Über 60-Jährige und Menschen mit chronischen Erkrankungen sollten sich zudem gegen Pneumokokken impfen lassen, die lebensbedrohliche Lungenentzündungen verursachen können“, meint Stoll. Um bakterielle Folgeinfektionen zu vermeiden, empfehlen Fachleute, besonders gefährdeten Patienten mit einer echten Virusgrippe frühzeitig Antibiotika zu geben.

Gegen die Erkältungsviren selbst sind diese allerdings wirkungslos. „Bei grippalen Infekten greifen viele Patienten unkritisch zu Antibiotika, die ja aus gutem Grund verschreibungspflichtig sind“, gibt Häringer zu bedenken. „Wer in Eigenregie Restbestände aus der Hausapotheke einnimmt, riskiert, dass die Antibiotika irgendwann nicht mehr wirken.“ Experten bezeichnen dies als Resistenz. „Manchmal geben allerdings auch Ärzte dem Drängen der Patienten nach“, sagt Häringer, „und verordnen viel zu früh Antibiotika.“

Die besten Waffen gegen Erkältungskrankheiten kommen für Allgemeinmediziner Häringer ohnehin aus der Natur: „Sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe wirken oft gleichzeitig gegen Bakterien, Viren und Pilze.“ Andere Heilpflanzen stärken das Immunsystem, etwa Extrakte aus Sonnenhut oder Wasserdost. „Wer gleich bei den ersten Anzeichen einer Erkältung vier Tage lang hoch dosierten Echinacea-Extrakt einnimmt, erzielt meist gute Erfolge“, sagt Häringer. „Allerdings sollte man Immunstimulanzien nicht über einen längeren Zeitraum anwenden.“

Matthias Stoll ergänzt: „Wer vorbeugen möchte, sollte vor allem eine Schädigung des Immunsystems vermeiden.“ Rauchen zum Beispiel leistet Erkältungskrankheiten stark Vorschub. Heizungsluft trocknet die Schleimhäute aus und schwächt so die lokale Abwehr. Vitamin- und Mineralstoffmangel wirken sich ebenfalls ungünstig aus. Von hoch dosierten Nahrungsergänzungsmitteln rät der Infektiologe dagegen ab: „Wer sich ausgewogen ernährt, sich regelmäßig bewegt und gelegentliche Pausen einlegt, kommt in der Regel gut durch den Winter.“

 

Apotheken Umschau, Bildnachweis: PhotoDisc