Viele Gewürze und Heilpflanzen wirken antimikrobiell und könnten sich daher als Konservierungsstoffe eignen

Wenn auf Lebensmittelpackungen Codes wie E 200 oder E 210 stehen, denkt jeder sofort an Chemie: an synthetische Zusatzstoffe, die Unverträglichkeitsreaktionen oder Allergien auslösen, an künstliche Geschmacksverstärker, Farbstoffe und Konservierungsmittel, die der Gesundheit wenig zuträglich sind. Dass das mit Natur zu tun haben könnte, vermutet kaum jemand.

Tatsache ist: Zwei der am häufigsten verwendeten Konservierungsmittel stammen ursprünglich aus der Natur. Die Sorbinsäure (E 200) wurde erstmals aus der Vogelbeere isoliert und findet sich auch in Blau-, Erd- und Preiselbeeren. Benzoesäure (E 210) ist Hauptbestandteil des südostasiatischen Benzoe-Harzes und außerdem in Früchten wie Pflaumen und Heidelbeeren enthalten. Da die keimtötenden Verbindungen heute in großen Mengen zum Einsatz kommen, werden sie mittlerweile synthetisch hergestellt.
 
Effektiver Schutz vor Fraßfeinden   

Auch wenn erst wenige Naturprodukte als Lebensmittelzusatzstoffe zugelassen wurden, sind Sorbin- und Benzoesäure keine Einzelfälle. Viele Heil- und Gewürzpflanzen enthalten antimikrobielle, also keimtötende Substanzen, die sie vor Fraßfeinden und Krankheitserregern schützen. „Man wird selten ein Pfefferminzblatt finden, das von Bakterien oder Pilzen befallen ist“, erklärt Professor Gerhard Franz vom Institut für pharmazeutische Biologie der Universität Regensburg. „Intensiv duftende ätherische Öle gehören zu den wichtigsten antimikrobiellen Pflanzenstoffen.“

Die antibakterielle Wirkung von Thymian etwa macht sich die Medizin bei Husten und Bronchitis zunutze. Auch Rosmarin und Salbei enthalten antimikrobielle ätherische Öle. Dass das Pizzagewürz Oregano ebenfalls ein wirkungsvoller Bakterienkiller ist, entdeckten Forscher an der Kansas State University (USA). Das Team um Daniel Fung hatte 24 Gewürze auf antibakterielle Effekte untersucht. Die beste konservierende Wirkung zeigten Oregano, Knoblauch, Salbei, Gewürznelken und Zimt.

Potente Bakterienkiller 

„Bestimmte Substanzen aus Zimt und Nelken wirken gegen Bakterien, Viren und Pilze“, sagt der pharmazeutische Biologe Franz. „Sie lagern sich an die Zellmembranen von Bakterien an, zerstören ihre biologische Funktion und töten so die Erreger ab.“ Auch bei Pilzen wird die Funktion der Zellmembran gestört. „Es entstehen Löcher, und die Zellen laufen aus“, erklärt Franz. Was die antivirale Wirkung betrifft, gebe es bislang nur Vermutungen: „Möglicherweise binden sich die Pflanzenstoffe an lebenswichtige Eiweiße der Viren und deaktivieren sie.“

Diese Effekte haben einen praktischen Nutzen. So entwickelten spanische Wissenschaftler der Universität Saragossa ein mit Zimtöl getränktes Wachspapier, das Brot und andere Backwaren bis zu zehn Tage vor dem Befall mit Schimmelpilzen schützen soll. Die Forscher führen die Wirkung auf das im Zimtöl enthaltene flüchtige Zimtaldehyd zurück, das aus der Verpackung verdampft und in das Brot eindringt. Auch Obst lasse sich auf diese Weise vor Schimmelpilzen schützen.

Eine Frage stellt sich in diesem Zusammenhang: Schmeckt das Brot dann nach Zimt? Hier sehen Experten die Grenzen der natürlichen Konservierungsmittel. „Pflanzen mit konservierender Wirkung haben bereits in geringen Konzentrationen einen starken Eigengeschmack“, gibt Franz zu bedenken. „Wenn der Geschmack des Gewürzes zum Lebensmittel passt, ist auch nichts dagegen einzuwenden.“ Thymian und Oregano beispielsweise passen gut zu Fleischgerichten, sind für Süßspeisen aber ungeeignet. „Und Feinschmecker nehmen intensiv schmeckende ätherische Öle generell als negativ wahr“, meint Franz.

Früher waren die Menschen da weniger zimperlich. „Als es noch keine Kühlschränke gab, wurden Lebensmittel getrocknet, eingelegt oder eben stark gewürzt, um sie haltbar zu machen“, sagt Professorin Karin Schwarz von der Abteilung für Lebensmitteltechnologie an der Universität Kiel. „Dabei wurde weit mehr zugesetzt, als dem heutigen Geschmack entspräche.“
  
Gewürze oft mit Keimen belastet

Neben der Geschmacksfrage gibt es bei der Suche nach pflanzlichen Konservierungsmitteln noch ein weiteres Problem: „Wenn man die konservierende Wirkung eines Gewürzes in den Vordergrund stellt, muss man bedenken, dass Gewürze aus tropischen Ländern oft selbst hochgradig mit Keimen belastet sind“, erläutert Schwarz. „Damit sie nicht den gegenteiligen Effekt haben, müssten die Gewürze also vorher keimfrei gemacht werden.“

Bei Konserven und eingelegten Lebensmitteln dienen Gewürze in erster Linie als Geschmackgeber. „Konserven werden durch Hitzebehandlung haltbar gemacht“, erklärt Schwarz. „Bei eingelegten Waren wie Essiggurken ist die Konservierung durch das saure Milieu gegeben.“

Nicht nur aus diesem Grund ist die Lebensmitteltechnologin skeptisch, ob sich Gewürze als natürliche Alternative zu den zugelassenen Konservierungsmitteln eignen. „Die Konzentration der konservierenden Stoffe im Gewürz ist in der Regel nicht hoch genug, sodass diese aus der Gewürzpflanze isoliert und dem Lebensmittel in ausreichenden Mengen zugesetzt werden müssten“, stellt Schwarz klar. „Doch sobald ein isolierter Stoff einem Lebensmittel zu technologischen Zwecken zugesetzt wird, muss er als Zusatzstoff zugelassen werden – egal, ob er in der Natur vorkommt oder künstlich hergestellt wird.“ Diese Karriere haben bislang nur wenige Naturstoffe gemacht, die nun nicht mehr als solche wahrgenommen werden – allen voran E 200 und E 210.
 
Bildnachweis: Jupiter Images GmbH/Creatas