Doping ist auch im Freizeitsport verbreitet und birgt hohe Gesundheitsrisiken

„Blaue Blitze“ gibt es heute im Internet. Unter diesem Spitznamen erlangte das Medikament Turinabol traurige Berühmtheit im Spitzensport der DDR und wurde zum Sinnbild staatlich verordneter Leistungssteigerung mit allen Mitteln. Systematisch und zum Teil unwissend erhielten Sportler das synthetische Hormon – mit schwerwiegenden Folgen: Unfruchtbarkeit, Leberschäden, Herzversagen.

Die Kugelstoßerin Heidi Krieger vermännlichte durch Turinabol-Gaben stark, unterzog sich später einer Geschlechtsumwandlung und gilt heute als anerkanntes Dopingopfer. Solche Fälle gehören zum dunklen Kapitel jüngerer deutscher Sportgeschichte. Ganz gegenwärtig dagegen blüht der Handel mit der berüchtigten Substanz: Nur ein Klick im Netz, und die „blauen Blitze“ kommen mit der Post aus China.

Fast alle Dopingsubstanzen – Anabolika, Wachstumshormone, Kreislaufmittel – lassen sich problemlos auf dem Internet-Schwarzmarkt finden und bestellen, was offenbar auch in großem Stil geschieht.

Keine Kontrolle
Neuere Daten des Berliner Robert-Koch-Instituts zeigen, dass rund sieben Prozent aller sportlich aktiven Bundesbürger regelmäßig „verschreibungspflichtige Mittel“ zur Leistungssteigerung einnehmen. Viele dieser Substanzen stehen auf der Liste der Welt-Antidoping-Agentur, doch das hat für Freizeitsportler keine Konsequenzen. Es wird außerhalb professioneller Wettkämpfe üblicherweise nicht kontrolliert und sanktioniert.
Nach dem jüngst verschärften Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung des Dopings im Sport sind der Erwerb und Besitz einschlägiger Substanzen in „nicht geringen Mengen“ zwar verboten, doch eine Strafverfolgung findet praktisch nicht statt. Besteht kein Tatbestand des Betrugs, bleibt es scheinbar jedem selbst überlassen, sich zu schaden.

Dopen im Blindflug
Eben dieses medizinische Problem bestehe in der Grauzone des Freizeit-Dopens umso mehr, sagen Experten: Anders als im Spitzensport werden die Maßnahmen nicht ärztlich überwacht. Der eigenmächtig dopende Sportler setzt sich also den zum Teil erheblichen Nebenwirkungen der kreislauf- und stoffwechselaktiven Mittel unkontrolliert aus.
Dass Risiken nicht nur theoretisch bestehen, verraten einschlägige Internetforen ebenso freimütig, wie dort die berüchtigten Hilfsmittel angepriesen und verglichen werden. Über Kopfschmerzen, Akne und „Gyno“ klagen im Internet Kraftsportler, die ihren Muskelaufbau mit Steroidhormonen unterstützen – denn neben dem erwünschten Muskelzuwachs bewirken Steroide auch eine Blutdrucksteigerung und stärkere Talgdrüsenaktivität sowie indirekte, vermeintlich paradoxe Effekte, etwa eine Verweiblichung der Brust (Gynäkomastie).

Künstliche Hormongaben bringen höchst empfindliche Regelkreise des Körpers durcheinander. Der männliche Körper stellt unter der Steroidflut von außen nämlich die eigene Produktion des „Männlichkeitshormons“ Testosteron ein. Außerdem verstoffwechselt er die Anabolika zum Teil in weibliche Hormone. Die Folgen: Brustdrüsenwachstum, Hodenverkleinerung, Abnahme der Spermienzahl bis hin zur Unfruchtbarkeit. Frauen hingegen vermännlichen durch Anabolika, was neben Hautproblemen oft zu Zyklusstörungen führt.

Noch besorgniserregender erscheinen allerdings die heiklen Ratschläge zur Abwehr der genannten Nebenwirkungen, zu denen sich im Internet Diskutierende durch ein fragwürdiges Halbwissen berufen fühlen: Weitere verschreibungspflichtige und nebenwirkungsträchtige Medikamente werden empfohlen, um Potenzstörungen, Schmerzen oder Wassereinlagerungen in Eigenregie zu behandeln. So etwas ist ohne medizinisches Wissen brandgefährlich.

Fatale Spätfolgen
Doch auch unter ärztlicher Aufsicht drohen bei Doping mitunter fatale Konsequenzen, wie das Beispiel der Siebenkämpferin Birgit Dressel deutlich macht. Die bundesdeutsche Olympia-Teilnehmerin starb 1987 an Multiorganversagen, nachdem sie von einem Sportmediziner über Monate Steroide und andere Medikamente zur Leistungssteigerung erhalten hatte.

Dass auch im Westen Deutschlands während der 1970er-und 1980er-Jahre umfangreich gedopt wurde, wurde erst in einer Untersuchung aufgezeigt. Demnach wurde damals auch mit staatlicher Unterstützung an Anabolika geforscht. Die möglichen Folgen des Gebrauchs dieser Substanzen wurden in vollem Umfang jedoch offenbar erst Jahre später deutlich: Leber-, Gefäß- und Herzschäden, die den Betroffenen dauerhaft und in lebensbedrohlicher Weise zusetzen.

Gefährlich ist auch der Einsatz des Hormons Erythropoetin (Epo). Es regt die Blutbildung an, was die Sauerstoffaufnahme und damit die Ausdauerleistung steigert. Allerdings kann es das Blut so dick machen, dass Herz- und Hirninfarkte drohen.

Gefährlicher Ehrgeiz
Wie verbreitet das Blutdoping im Amateursport ist, darüber gehen die Meinungen auseinander. Manch ein Sportmediziner vermutet, dass bis zu zehn Prozent der ambitionierten Läufer Epo spritzen. Andere Experten gehen dagegen von einem unerheblichen Anteil aus, da der Aufwand zu hoch sei.
Doch nicht nur Dopingmittel im engeren und kriminellen Sinn erfahren unter Sportlern problematischen Zuspruch. Viele Freizeitläufer nehmen legale und meistens sogar rezeptfreie Schmerzmittel ein, um ihre Fitness zu steigern. Das geschieht ebenfalls häufig in selbstschädigender Weise.

Mit Schmerzmittel an den Start
Beim Bonner Marathon-/Halbmarathonlauf erfragten Forscher, wie viele Läufer Analgetika eingenommen hatten, um belastungsbedingte Schmerzen am Bewegungsapparat besser aushalten zu können. Danach untersuchten die Forscher, wie sehr sich die Angaben mit auftretenden Nebenwirkungen deckten. Ergebnis: Knapp die Hälfte der fast 4000 Befragten hatte sich medikamentös präpariert. Magen-Darm-Beschwerden traten bei ihnen vierzehnmal häufiger auf als in der „cleanen“ Gruppe. Insgesamt kam es bei Analgetika-Gebrauch fünfmal häufiger zu typischen Beschwerden: Neun Prozent erlitten Kreislaufstörungen, vier Prozent leichte Blutungen.

Der Glaube in die medizinischen Möglichkeiten der Leistungssteigerung ist verbreitet und stark, die Gefahren werden hingegen kaum kommuniziert. Dabei bestehen diese gerade in der physiologischen Ausnahmesituation eines Langstreckenlaufs: Die bekannten unerwünschten Wirkungen von Acetylsalicylsäure, Diclofenac oder Ibuprofen auf die Nieren oder das Kreislaufsystem verstärken sich, wenn der Körper keine Kapazitäten mehr hat, sie auszugleichen. Außerdem drohen Verschleiß und Überanstrengung, wenn Medikamente die Warnzeichen des Körpers unterdrücken.

Als schlechtes Vorbild könnte auch hier der Spitzensport wirken. Dort ist es ganz normal, dass Athleten von spezialisierten Ärzteteams rundum betreut und bei entsprechendem Anlass ganz unverhohlen „fitgespritzt“ werden. Dass dabei oft weiter gegangen wird, als es der Gesundheit noch zuträglich wäre, wird trotz aller Doping-Debatten kaum hinterfragt – obwohl es populäre Beispiele gibt. Der Fußballprofi Ivan Klasnic etwa beschuldigte vor einigen Jahren Mediziner seines ehemaligen Vereins Werder Bremen, mit Schmerzmitteln seine Nieren geschädigt zu haben. Klasnic hatte 2007 wegen eines chronischen Nierenversagens eine Transplantation erhalten.

Grenzen respektieren
Schmerzmedikamente als solche seien bei regelrechter Anwendung nicht übermäßig gefährlich und erwiesen sich im medizinischen Einsatz als äußerst hilfreich, sagen Mediziner. Zu hinterfragen sei aber ihr unkritischer und unkontrollierter Gebrauch, um länger durchhalten zu können. Anders als bei professionellen Wettkämpfen betrüge man im Breitensport zwar überwiegend nur sich selbst, aus medizinischer Sicht aber gelte es dennoch, die eigenen Grenzen zu respektieren. Nur dann ist Sport auch gesund.

Falsches Vorbild: Doping im Spitzensport
Schon in der Antike sollen Athleten sich vor Wettkämpfen mit Stierhoden gestärkt haben – eine frühe Form des Testosteron-Dopings. Erst die pharmakologische Forschung während des Zweiten Weltkriegs brachte aber Dopingmittel im heutigen Sinn hervor.
In den 1960er-Jahren gab es unter Radfahrern Todesfälle durch Amphetamin-Gebrauch. Seit 1968 erfolgen systematische Doping-Kontrollen bei Olympischen Spielen. Dennoch wurde bei großen Wettkämpfen regelmäßig gedopt. Viele Sportler erlitten bleibende Gesundheitsschäden.

Die jüngeren, spektakulären Fälle von Lance Armstrong oder Jan Ullrich zeigen, dass Doping im Spitzensport heute professionalisiert und flächendeckend verbreitet ist.

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