Der Mensch ist ein Läufer, und das ist er schon immer gewesen
In den weiten Savannen, die unsere Vorfahren vor zwei Millionen Jahren bevölkerten, galt es, gut zu Fuß zu sein. So entwickelten die Urmenschen die Körpermerkmale ausdauernder Wanderer und schneller Jäger: lange, muskulöse Beine, feste Sehnen und eine gute Kondition.
Diese Eigenschaften werden am Schreibtisch sitzend zu wenig gefordert. Der seiner Körperlichkeit entwöhnte moderne Mensch leidet daher zunehmend an „Zivilisationskrankheiten“ wie Übergewicht, Bluthochdruck oder Typ-2-Diabetes. Deshalb ist Sport so wichtig. Körperliche Aktivität schützt vor Herzinfarkt, sie hilft, den Blutdruck zu regulieren und überschüssige Kalorien abzubauen. Sportler leben länger und erhalten zudem ihre geistige Fitness, wie große Studien gezeigt haben.
Gefahr der Übertreibung
Allerdings kann sich der gewünschte Effekt auch ins Gegenteil verkehren, wie der Medizinprofessor Hans-Georg Predel von der Sporthochschule Köln bemerkt: „Über- oder Fehlbelastung schädigen den Organismus.“ Dabei sei die Grenze zwischen richtig und falsch nur individuell zu finden. „Jemand, der sein ganzes Leben Sport getrieben hat, reagiert ganz anders auf Aktivität als jemand, der jahrelang fast nur gesessen hat.“ Daher sollten es gerade Anfänger im mittleren und hohen Alter erst einmal sachte angehen lassen. Bereits ab dem 30. Lebensjahr baut der Körper nämlich langsam ab. Die Muskulatur ist dann zwar noch lange anpassungsfähig – das heißt trainierbar –, Sehnen und Bänder aber haben nicht mehr die Festigkeit und Elastizität wie in der Jugend.
Das macht sich beispielsweise bemerkbar, wenn im Fitness-Studio zu forsch und ehrgeizig Gewichte gestemmt wurden: Die Gelenke schmerzen dort, wo die Last an den Ansatzpunkten der Sehnen gezerrt hat. Dann gilt es, zu kühlen und zu pausieren. Anderenfalls kann sich die Knochenhaut entzünden oder die Sehne reißen.
Schmerzen kennt auch so mancher Dauerläufer. Mit jedem Laufschritt prallt das Körpergewicht aus fünf bis zehn Zentimetern Höhe auf den Untergrund. Fängt ein schlechter Laufstil die Last unzureichend ab oder ist diese zu groß, überdehnen leicht die Gelenkkapseln im Knie oder Sprunggelenk. Eine gut trainierte Beinmuskulatur kann bedingt vor diesen Folgen schützen, indem sie den Gelenken Halt gibt. Doch zeichnen sich Einsteiger oft gerade durch ein Zuviel an Gewicht und ein Zuwenig an Muskelmasse aus.
„Übergewichtige sind natürlich gut beraten, mit einem Ausdauersport anzufangen. Sie sollten aber zunächst auf das Fahrrad ausweichen, um die Gelenke zu entlasten“, rät Hans-Georg Predel. Der Sportmediziner Professor Klaus Völker von der Universität Münster warnt jedoch davor, aus solchen Hinweisen die falschen Schlüsse zu ziehen: „Die positiven Effekte sportlicher Aktivität überwiegen eindeutig.“ Ihm sei kein Fall bekannt, bei dem es durch Laufen zu einem ernsthaften Gelenkschaden gekommen wäre.
Ungleich zerstörerischer ist die Inaktivität. „Es gehen bestimmt mehr Knie unter dem Schreibtisch kaputt als auf der Laufbahn“, vermutet der Mediziner. Diese Annahme untermauert eine Studie der Universität Heidelberg an ehemaligen Spitzen- Marathonläufern. Deren Knie wiesen nicht mehr Abrieb auf als die von Normalbürgern. Zwar zeigte sich bei Sportlern mit einer wöchentlichen Laufstrecke von mehr als 60 Kilometern ein etwas stärkerer Verschleiß der Hüfte, jedoch war dieser Befund für die meisten Betroffenen nicht spürbar.
Riskante Spiele
Weitaus weniger „gelenkfreundlich“ sind Sportarten, die abrupte Bewegungen und plötzliche Richtungswechsel erfordern. Völker erklärt: „Eine hohe Impulsbeschleunigung, wie sie beispielsweise beim Fußball oder beim Squash auftritt, verträgt ein älterer oder untrainierter Bewegungsapparat nicht gut.“ Es kommt zu Muskel- und Gelenkschmerzen. Darüber hinaus ist die Verletzungsgefahr hoch, wenn der komplizierte Ablauf solcher Bewegungen nicht von Jugend an erlernt wurde.
Als gering schätzen Experten hingegen die Gefahr ein, beim Sport das Herz-Kreislauf-System zu schädigen. „Bei einem Gesunden ist so etwas kaum möglich“, sagt Hans-Georg Predel. Gefahr droht jedoch bei entsprechenden Vorerkrankungen. Die Herzkranzgefäße sind gelegentlich schon bei Vierzigjährigen durch Ablagerungen verengt. Wer sich ab diesem Alter neuen Anforderungen stellen will, sollte sich daher zuvor gründlich vom Arzt untersuchen lassen, am besten von einem Sportmediziner.
Viele Fitnesstipps verunsichern aber auch. Sie klingen, als führe der Verstoß dagegen gleich zu einer Krankheit. Der etwas unklare Begriff der „Überanstrengung“ etwa meint nicht, dass körperliche Strukturen oder Funktionen sofort Schaden nehmen, sondern dass der Organismus beim Sport stärker ermüdet, als er gestärkt und stimuliert wird. „Das mindert die gewünschten Trainingseffekte“, sagt Völker. Diese sind natürlich auch gering, wenn man sich „unteranstrengt“. Ein bisschen Quälerei gehört also immer dazu.
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(Bildnachweis: PhotoDisc/RYF)