Vitamin D stabilisiert die Knochen und kann noch weitere positiven Auswirkungen haben. Experten warnen aber das Vitamin nicht zu überschätzen

Für manche Menschen gilt es als wahres Wundermittel, sein Mangel als wesentlicher Mitverursacher von Diabetes, Herzleiden, multipler Sklerose, Infektionen und Krebs: Vitamin D hat seit einigen Jahren eine erstaunliche Karriere als Hoffnungsträger hingelegt. Doch nun mehren sich unter Forschern Stimmen, die davor warnen, den vermeintlichen Alleskönner zu überschätzen.

Der Hinweis gilt vor allem jenen Menschen, die ohne Notwendigkeit Präparate mit Vitamin D einnehmen. Zwar ist es nur schwer möglich, über die Nahrung genügende Mengen davon zu erhaschen. Doch der Körper verfügt über ein eigenes Syntheselabor. Die Produktion läuft an, wenn ultraviolette Sonnenstrahlen auf die Haut treffen.

Zuerst die natürliche Produktion nutzen

Deshalb empfehlen Fachleute nur bestimmten Gruppen ausdrücklich die Einnahme von Präparaten: Säuglingen, um der gefürchteten Knochenerweichung vorzubeugen; Senioren ab etwa 65 Jahren, bei denen die Syntheseleistung schwächer ausfällt und die oft auch seltener das Haus verlassen; außerdem Osteoporose-Patienten und Menschen mit schwerer Nierenschwäche. Alle anderen sollten primär die natürliche Produktion nutzen.

Lange erforscht und unbestritten ist, dass Vitamin D Knochen stabilisiert, das Zusammenspiel von Nerven und Muskeln koordiniert und damit Stürzen vorbeugt, die bei Senioren fatale Knochenbrüche nach sich ziehen können. Anderen Wirkungen, die dem Vitamin zugeschrieben werden, kamen Forscher erst in den vergangenen gut zehn Jahren auf die Spur. Alle Befunde schienen ins Bild zu passen: Je höher der Blutspiegel einer Vorstufe des Vitamins D, desto seltener litten die Versuchsteilnehmer etwa an Krebs, Bluthochdruck oder Herzleiden. Im Labor entdeckten Forscher zudem, dass die meisten Körpergewebe Andockstellen für das Hormon-Vitamin tragen und dass dieses die Funktion Tausender Gene beeinflusst.

Um die Beweiskette zu schließen, führten sie schließlich Direktversuche durch. Sie losten Studienteilnehmer dafür jeweils zwei Gruppen zu: Eine Hälfte erhielt Vitamin-D-Präparate, die andere Placebos. Das Ergebnis war in den meisten Fällen eine herbe Enttäuschung: Die Teilnehmer beider Gruppen erkrankten gleich häufig an Brust- oder Prostatakrebs und entwickelten genauso oft Diabetes oder Bluthochdruck. Kürzlich widerlegte auf diese Art eine Großstudie in Afghanistan, einem der Länder mit der höchsten Kindersterblichkeit, dass Vitamin-D-Pillen die häufig tödlichen Lungenentzündungen bei Kleinkindern verhindern können.
Für die offenbar falschen Spuren, die sich aus früheren Studien ergaben, gibt es Erklärungen. So können Untersuchungen, die nur Zusammenhänge zeigen, die Henne-Ei-Frage nicht klären: Werden Menschen herzkrank, weil sie zu wenig Vitamin D bekommen – oder ist der Mangel eine Folge des Herzleidens? Außerdem können Begleiteffekte eine Rolle spielen: Wer selten nach draußen kommt und deshalb wenig Vitamin D bildet, der bewegt sich meist auch weniger und nimmt eher zu. Das könnte dann die eigentliche Ursache des Bluthochdrucks sein.
Für ein endgültiges Urteil fehlen allerdings noch größere Studien. Zwei davon sind in den USA und Großbritannien angelaufen. Mit je 20.000 Teilnehmern versuchen sie definitiv zu klären, ob Vitamin-D-Präparate das Risiko für Krebs- und Herzleiden mindern. Ergebnisse liegen frühestens in vier Jahren vor.

Kaum Mangel im Winter

Für gesunde Knochen bleibt Vitamin D auf jeden Fall wichtig. Im Winter bekommen die meisten Menschen in Deutschland jedoch nicht genug UV-Strahlen ab, um die Produktion in der Haut zu stimulieren. Ein zwingendes Problem erwächst daraus nicht: Wenn die Ausgangssituation gut ist, fällt der Blutpegel im Winter kaum unter den wünschenswerten Bereich, sagen Experten.

Allgemeine Empfehlungen für die Vorsorge in den sonnenreicheren Monaten sind indes schwierig. Denn wie intensiv die Eigenproduktion ausfällt, hängt von vielen Faktoren ab: vom Hauttyp, von Jahreszeit und Sonnenstand, von der Ortshöhe über dem Meeresspiegel, vom Anteil unbedeckter Hautareale, vom Alter und von den Genen. Letztendlich bleiben dem Einzelnen nur Erfahrungswerte. Dabei gilt: Die Grenze zum Sonnenbrand sollte man nicht überschreiten – aber auch nicht aus Furcht vor Hautkrebs gleich jeden Sonnenstrahl mit Kleidung oder Sonnencreme abwehren.

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