
Importierte Originalmedikamente aus der EU sparen Kosten und halten die Kassenbeiträge stabil. Sonderlich beliebt sind sie trotzdem nicht
Vielleicht haben auch Sie schon einmal ein Arzneimittel mit fremdsprachigem Aufdruck in der Hand gehabt, das an manchen Stellen mit deutschsprachigen Etiketten überklebt war. Und der Apotheker begründete das folgendermaßen: „Wir müssen Ihnen einen preisgünstigeren Reimport abgeben.“
Aber warum werden Medikamente billiger, wenn sie durch halb Europa gereist sind? Handelt es sich etwa um minderwertige Ware mit Transport- und Lagerschäden? Keineswegs. Importarzneimittel sind ebenfalls Originalpräparate, die jedoch nicht für den deutschen Markt, sondern für andere EU-Länder hergestellt wurden. Wegen des Preisgefälles innerhalb der EU können Importeure zum Beispiel in Italien, Spanien oder Griechenland günstigere Originalpräparate einkaufen und in Deutschland zu einem niedrigeren Preis anbieten als für den deutschen Markt bestimmte Präparate.
Überklebte Packungen
Rund 90 Prozent aller Importarzneimittel sind sogenannte Parallel-Importe, die von multinationalen Konzernen im europäischen Ausland hergestellt und von Importeuren beim ausländischen Großhandel eingekauft werden. Nur etwa zehn Prozent sind Reimporte, die in Deutschland für den europäischen Markt produziert, exportiert und dann wieder importiert werden.
Importeure überkleben die Packungen mit deutschsprachigen Etiketten oder packen die Medikamente in sogenannte Europackungen um. Außerdem werden sie mit einem deutschsprachigen Beipackzettel versehen. Importeure unterliegen den gleichen staatlichen Kontrollen wie andere Arzneimittelhersteller. Blister und andere Primärverpackungen dürfen nicht geöffnet, sondern müssen gegebenenfalls auf der Rückseite überklebt werden.
Etwa jedes zwanzigste in deutschen Apotheken abgegebene rezeptpflichtige Medikament ist ein Importarzneimittel – das sind etwa 40 Millionen Packungen pro Jahr. Durch die Abgabe günstiger Importware sparen die Krankenkassen jährlich rund 300 Millionen Euro ein – eine Entlastung für Gesundheitssystem und Beitragszahler.
Vorgeschriebene Importquote
Apotheker sind laut Gesetz und Rahmenvertrag verpflichtet, fünf Prozent des importfähigen Fertigarzneimittelumsatzes durch günstige Arzneimittelimporte abzudecken. Ein Import muss mindestens 15 Prozent oder 15 Euro billiger sein als das jeweilige Original. Erfüllen Apotheken diese Vorgaben nicht, drohen ihnen Zahlungskürzungen seitens der Krankenkassen.
Eine Umfrage des Kölner Instituts für Handelsforschung (IFH) unter 278 Apothekeninhabern ergab, dass mehr als 60 Prozent der Apotheken die geforderte Importquote sogar übertreffen. Tatsächlich bringen es Importarzneimittel auf einen Marktanteil von über zehn Prozent. Trotzdem sind die „Originale mit Zungenschlag“ bei Apothekern nicht sonderlich beliebt: So weisen mehr als 80 Prozent der Befragten darauf hin, dass Verbraucher Importarzneien oft nicht akzeptieren würden. Die Kunden sind irritiert, und das erfordert eine umfassende Aufklärung.
Nicht jeder sieht das so: Denn Importarzneimittel sind optisch fast nicht mehr von Originalpräparaten zu unterscheiden, sodass der Patient kaum noch ein Störgefühl haben sollte. Zudem sind die Patienten laut Expertenmeinung durch die Rabattverträge inzwischen daran gewöhnt, Medikamente wechselnder Hersteller zu bekommen.
Erheblicher Mehraufwand
Durch die Rabattverträge ist es für die Apotheker allerdings deutlich komplizierter geworden, zu entscheiden, ob sie ein Import- oder ein Originalarzneimittel abgeben sollen, für das der Hersteller einen Rabattvertrag mit den Krankenkassen abgeschlossen hat. Für 68 Prozent der befragten Apotheker steht deshalb fest, dass Importarzneimittel für ihre Apotheke einen erheblichen Mehraufwand bedeuten. Sie seien nicht mehr zeitgemäß, weil sie inzwischen teurer sein können als rabattierte Originalarzneimittel. Aus diesem Grund fordern Apotheker teilweise vom Gesetzgeber, die Verpflichtung zur Abgabe von Importarzneimitteln zu streichen.
Andererseits betreffen Rabattverträge wohl vor allem Arzneimittel, deren Patentschutz abgelaufen ist, für die es also günstigere wirkstoffgleiche Alternativen gibt. Importeure bieten dagegen überwiegend patentgeschützte Arzneimittel an.
Häufige Lieferengpässe
Rund 75 Prozent der befragten Apotheker bemängeln zudem, dass die Beschaffung von Importarzneimitteln oft mit Problemen und Lieferverzögerungen verbunden sei. Importeure können nur einkaufen, was auf dem europäischen Markt gerade verfügbar ist. Für die Patienten ist das jedoch kein Problem, da sie im Fall eines Lieferengpasses das Originalpräparat bekommen.
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Gefährdung der Arzneimittelsicherheit: In seltenen Fällen sind bereits gefälschte Importarzneimittel in deutsche Apotheken gelangt. Je länger der Vertriebsweg, umso größer ist die Gefahr, dass an irgendeiner Stelle Fälschungen eingeschmuggelt werden, sagen Experten. Die Importeure wollen dem einen Riegel vorschieben: Sie legen großen Wert auf Arzneimittelsicherheit, überprüfen jede einzelne Packung und haben begonnen, die Produkte mit fälschungssicheren 3-D-Codes zu versehen.
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