
Reiben im Schlaf ständig die Zähne aufeinander, wird das Gebiss geschädigt und das Kiefergelenk überlastet
Wer morgens mit Druck im Kiefer aufwacht, Schmerzen im Kopf, Nacken oder Rücken verspürt, vermutet vielleicht, die Matratze könne der Grund des Übels sein. Nicht selten hat aber das Gefühl, nach dem Aufstehen nicht ausgeruht und von Schmerzen geplagt zu sein, mit nächtlichem Knirschen zu tun. Fast jeder fünfte Bundesbürger leidet an Bruxismus, wie Mediziner das Zähneknirschen nennen.
Die Gründe dafür sind oft nicht eindeutig. Im Schlafen verarbeitet man auch den vergangenen Tag – und dabei ist in hektischen Lebensphasen häufig der Kiefer einbezogen. Dessen Muskel antwortet mit Verspannungen auf Stress. Die meisten Menschen bemerken nicht, dass sie knirschen. Deshalb wundern sie sich, woher Kieferdruck und Kopfschmerz kommen.
Doch Experten erkennen schnell, wenn die Zähne nicht normal abgenutzt sind. Meistens verordnen sie dann eine dünne Schiene, damit die Zähne sich nicht Nacht für Nacht abschleifen. Sie ist etwa zwei Millimeter dick und wird nach einem Abdruck des Gebisses angefertigt. Sie soll die Zähne vor noch mehr Abrieb der Oberflächen schützen. Das Knirschen kann den Schmelz schädigen, den Zahnhalteapparat schwächen und das Gebiss stark abschleifen.
Bruxismus-Patienten knirschen aber nicht nur, in Traumphasen beißen sie auch oft mit einer Kraft zu, die bis zu 150 Kilogramm entspricht. Das überrascht nicht, schließlich ist der Kiefermuskel einer der stärksten Muskeln des ganzen Körpers. Ist er regelmäßig nachts aktiv, kann es zu Verschleißerscheinungen am Kopf des Kiefergelenks kommen – bis hin zu einer schmerzhaften Arthrose.
Knackt es beispielsweise beim Öffnen des Mundes, ist dies ein Zeichen, dass der Gelenkknorpel bereits abgenutzt ist. Durch den Abrieb und die Überbelastung senkt sich der Biss ab. Daraus resultieren häufig Kiefergelenkbeschwerden. Ärzte raten dann zu einer speziell angepassten, sogenannten adjustierten Aufbissschiene. An den Berührungspunkten von Ober-und Unterkiefer, also dort, wo die stark abgeriebenen Zähne aufeinandertreffen, ist diese Schiene etwas dicker.
Der Druck auf das Gebiss soll dadurch gleichmäßiger verteilt werden. Das entlastet die Kiefergelenke und somit den oft vorgeschädigten Knorpel, weil Ober- und Unterkiefer durch die Schiene nicht mehr ganz aufeinanderbeißen können.
Die herkömmliche Knirschschiene schützt die Kauflächen nur vor Abrieb. Eine Fehlbelastung der Kiefergelenke durch einen nicht angepassten Biss kann sie nicht ausgleichen. Zudem ist sie bei Personen, die stark knirschen, häufig schnell durchgerieben. Studien zur Wirksamkeit der verschiedenen Schienen gibt es allerdings nicht.
Wer ständig unter Stress steht und ihn Nacht für Nacht „wegknirscht“, sollte sich nicht nur auf eine Schiene verlassen. Methoden wie autogenes Training oder progressive Muskelentspannung können zu einer erholsameren Nachtruhe beitragen, genauso wie mehr Pausen im Alltag oder kleine Rituale vor dem Schlafengehen.
Gegen den Druck im Kiefer hilft auch eine Physiotherapie, die Zahnärzte verschreiben können. Viele Therapeuten haben erkannt, welchen großen Einfluss der Kiefermuskel auf Kopf, Nacken und Rücken hat – und wie sensibel er auf Stress reagiert. Schon wenige Sitzungen helfen, die Verspannungen der Muskulatur zu lösen und das Gelenk durch Manualtherapie wieder frei zu machen.
Manchmal können allerdings auch Fehlstellungen der Zähne das Knirschen verursachen. Dann ist möglicherweise eine Korrektur des Bisses durch den Zahnarzt oder einen Kieferorthopäden angebracht. Eine herkömmliche Knirschschiene zahlt die Krankenkasse. Ist eine adjustierte Aufbissschiene nötig, sollte der Patient rechtzeitig wegen der Kostenübernahme bei der Kasse anfragen. Meist liegt die Selbstbeteiligung bei 100 bis 250 Euro. Dafür wacht der Patient vielleicht wieder mit dem guten Gefühl auf, ausgeruht in den Tag zu starten.
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