
Durchfallerkrankungen haben im letzten Jahrzehnt stark zugenommen. Vor allem ein Bakterium, das sich in Sporenform vor Antibiotika schützt, bereitet Ärzten Sorgen
Angenehm ist die Sache wahrhaftig nicht. Doch nach ein paar Tagen mit Schonkost, viel Flüssigkeit und häufigen Gängen aufs stille Örtchen ist eine Durchfallerkrankung meist überstanden. Das harmlose Malheur kann aber auch schlimmere Folgen haben. Und das ist immer öfter der Fall, wie Zahlen des Statistischen Bundesamts zeigen.
Fast 267.000 Patienten wiesen Ärzte im Jahr 2012 wegen einer infektiösen Darmkrankheit in eine Klinik ein, so die aktuellen Daten der Behörde. Gegenüber dem Jahr 2000 hat sich die Zahl damit mehr als verdoppelt. Auch die Rate der Todesfälle stieg in diesem Zeitraum auf mehr als 5500 Menschen pro Jahr.
Suche nach Erklärungen
Die erschreckende Bilanz kann viele verschiedene Ursachen haben. So könnte die Zunahme darin begründet sein, dass Ärzte inzwischen genauer hinsehen, Patienten häufiger in ein Krankenhaus einweisen und den Todesursachen präziser nachgehen.
Ereignisse wie der EHEC-Ausbruch 2011 oder massenhafte Noroviren-Infektionen führen dazu, dass Ärzte Durchfallerkrankungen stärker im Fokus haben. Dennoch ist der starke Anstieg damit allein kaum zu erklären. Bei einem der häufigsten Erreger ist die Zunahme so markant, dass die Tücken der Statistik ohnehin kaum als Erklärung taugen. Clostridium difficile heißt das Bakterium, das immer mehr Patienten plagt und bei manchen von ihnen lebensgefährlichen Schaden anrichtet.
Der Keim ist leicht übertragbar und lässt sich bei zwei bis fünf Prozent der Erwachsenen im Darm finden, ohne dass er auffällig wird. Benötigen diese Menschen jedoch wegen einer Infektion ein Antibiotikum, erleidet etwa einer von hundert Behandelten Darmbeschwerden, die lebensgefährlich sein können.
In den meisten Fällen bleibt es jedoch bei einem heftigen Durchfall. Bestimmte Antibiotika begünstigen die Clostridien-Ausbreitung wahrscheinlich besonders stark. Prinzipiell kann dies aber mit jedem Antibiotikum passieren.
Infektion in jedem Alter möglich
29.000 Menschen mussten 2012 wegen eines Clostridien-Durchfalls in die Klinik; im Jahr 2000 lag die Fallzahl noch bei knapp 1300. Dabei sind jene Patienten noch gar nicht mitgerechnet, bei denen die Infektion eine Nebendiagnose war oder die sich erst in der Klinik ansteckten. 2250 Todesfälle verursachte das Bakterium 2012. Zwölf Jahre zuvor waren es 21. Die Infektion kann zwar in jedem Alter auftreten, besonders häufig traf es aber betagte Patienten.
Eine Ursache für die Häufung der Klinikeinweisungen könnte darin liegen, dass die Bakterien durch genetische Variationen aggressiver geworden sind. So wurde etwa der sogenannte Ribotyp 027, der ein Vielfaches der normalen Giftmenge produziert, bereits in Deutschland nachgewiesen, wenngleich er sich noch nicht stark ausgebreitet hat.
Für Experten ist die Entwicklung ein weiterer Warnschuss, Antibiotika mit Bedacht einzusetzen. Wer nur ein bisschen erkältet ist, sollte nicht gleich ein Antibiotikum verlangen, sagen Ärzte. Bei bedrohlichen bakteriellen Infektionen ist eine solche Behandlung jedoch unverzichtbar.
Sporen kaum angreifbar
Dabei sind auch Clostridien grundsätzlich empfindlich gegenüber bestimmten Antibiotika. Drei verschiedene Substanzen dieser Stoffklasse setzen Ärzte gegen die Bakterien ein. Ein Trick der Keime macht den anfänglichen Erfolg jedoch oft zunichte: Sie bilden Sporen aus, eine Dauerform, in der sie vor Antibiotika sicher sind. Endet die Behandlung, keimen die Bakterien quasi aus und können sich schnell wieder vermehren. 15 bis 20 Prozent beträgt die Rückfallrate, und bei nicht wenigen Patienten wird der Durchfall chronisch.
In solchen Fällen setzen Ärzte zunehmend häufiger auf ein anderes Verfahren: Sie übertragen mit dem Stuhl die Darmbakterien eines gesunden Spenders auf den Erkrankten. Die Erfolgsquote beträgt über 90 Prozent, wie eine Studie an erfolglos mit Antibiotika Behandelten zeigte.
Doch noch fehlen Standards für die Behandlung: Unklar ist, wie umfangreich die Spender untersucht werden sollten, ob der Stuhl per Nasensonde, über eine Darmspiegelung oder mittels einer Kapsel übertragen werden soll und welche Langzeitrisiken möglicherweise bestehen. Solche Fragen wollen die Ärzte jetzt mit einem Register klären, in dem sie die Behandlungsdaten sammeln. Vorerst bleibt das Verfahren Einzelfällen vorbehalten: Es kommt nur bei Patienten infrage, die trotz Antibiotika-Behandlung immer wieder Clostridien-Infektionen haben.
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