Abgeschlagen, schläfrig, schlapp: So bekommen Sie wieder mehr Schwung

Bisweilen muss die Jahreszeit als Begründung herhalten. Wenn die Tage länger und heller werden, die Natur aus ihrem Winterschlaf erwacht, befällt so manchen Menschen bleierne Schwere. Viele sprechen dann von Frühjahrsmüdigkeit. Auch wenn sich das Phänomen wissenschaftlich nicht eindeutig belegen und begründen lässt, gibt es doch Erklärungsversuche.

Zum Ende der dunklen Jahreszeit kann besonders viel Melatonin im Blut zirkulieren, das Hormon, das uns müde macht und den Schlaf fördert. Untrainierte, die sich im Winter einge­igelt haben, reagieren dann möglicherweise stark auf Wettereinflüsse. Bei höheren Temperaturen stellen sich die Gefäße weit, der Blutdruck sackt ab, man fühlt sich schlapp. Das bes­­te Rezept, auch wenn es erst einmal schwerfällt, lautet dann: raus­gehen, Tageslicht tanken und sich viel an der frischen Luft bewegen.
Nicht immer jedoch lässt sich so einfach erklären, warum wir uns trotz ausreichender Nachtruhe tagsüber abgeschlagen oder schläfrig fühlen. Bei längeren Müdigkeitsphasen oder star­ker Belastung im Alltag sollte man zum Arzt gehen.

Ein Symptom, viele Ursachen
Erster Ansprechpartner sollte stets der Hausarzt sein. Dauermüdigkeit kann viele Ursachen haben – nicht selten spielen körperliche, psychi­sche und soziale Faktoren zusammen.

Lange Arbeitszeiten, Termindruck und die vielfältigen Anforderungen in der Familie setzen gerade Menschen im mittleren Lebensalter unter Druck. In der Altersgruppe zwischen 36 und 45 Jahren klagen vier von fünf Deutschen über Stress, zeigt eine Studie der Techniker Krankenkasse (TK). Wo Erholungsphasen zu kurz kommen und berufliche Probleme auch in der Freizeit gewälzt werden, ist die Gefahr der Erschöpfung besonders groß. Drei von zehn Berufstätigen fühlen sich sogar erschöpft und ausgebrannt. Betroffene müssen frühzeitig vorbeugen: regelmäßig Pausen einlegen, Aufgaben delegieren, Auszeiten planen.

Unter gedrückter Stimmung und Depressionen leiden laut der TK-Studie 13 Prozent. Wem alles zu viel wird, wer sich antriebslos und niedergeschlagen fühlt, der sollte darüber mit einem Arzt sprechen. In vielen Fällen kann schon eine genaue Befragung Hinweise auf eine Depression oder eine depressive Verstimmung geben. In schwereren Fällen hat sich häufig eine Psychotherapie als sinnvoll herausgestellt, gegebenenfalls kombiniert mit einer medikamentösen Anti­depressiva-Behandlung.

Die Schilddrüse steuert viele Stoffwechselfunktionen im Körper. Produziert sie zu wenig Hormone, können sich Betroffene antriebslos oder auch schwermütig fühlen. Bei Verdacht auf eine Unterfunktion des Organs kann der Arzt den Wert des Hormons TSH im Blut bestimmen. Tritt die Unte­r­­funktion als Folge der Autoimmun­erkrankung Hashimoto-Thyreoiditis auf, lässt sie sich durch die Ein­nahme des Schilddrüsenhormons Thyroxin gut behandeln.

Schwierig wird die Entscheidung bei einer erst beginnenden Unterfunktion („latente Unterfunktion“). Möglicherweise empfiehlt sich auch dann ein Behandlungsversuch mit Thyroxin. Experten warnen jedoch: Man sollte ­eine mögliche Ursache nicht vorschnell als eindeutig zuordnen. Es bestehe die Gefahr, dass mögliche tiefer liegende Gründe für Abgeschlagenheit und Lustlosigkeit übersehen werden.

Wichtig: Genügend Tiefschlaf
Müdigkeit und blasse Haut können auch auf eine Blutarmut – medizinisch Anämie – hindeuten: Die Körperzellen werden unzureichend mit Sauerstoff versorgt, weil es an roten Blutkörperchen für dessen Transport fehlt. Meistens liegt die Ursache dafür in einem Eisenmangel. Unter anderem sind Frauen mit starker Regelblutung betroffen, weil sie das Spurenelement mit dem Blut verlieren. Gut verwertbares Eisen liefert vor allem Fleisch. Ein Vitamin-C-haltiges Getränk wie Orangensaft zum Essen verbessert die Aufnahme aus pflanzlicher Kost. Bringt eine eisen­reiche Ernährung keinen Erfolg, hilft eine mehrmonatige Medikamentenkur, die Speicher zu füllen.

Wer regelmäßig Arzneien einnimmt, sollte einen Blick auf den Beipackzettel werfen. Verschiedene Präparate, darunter Psychopharmaka, Mittel gegen allergische Beschwerden oder zentral wirkende Schmerzmedikamente, können müde machen. Dann empfiehlt sich, den Arzt darauf anzusprechen. Er kann entscheiden, ob sich ein Präparatewechsel, eine andere Dosierung oder eine andere Einnahmezeit anbietet.
Manchmal zeigt der bleierne Zustand auch an, dass sich der Körper aktiv gegen etwas wehrt – etwa gegen Krankheitskeime – und deshalb ­verstärkt Abwehrkräfte mobilisiert. Selbst nach einem banalen Infekt können gelegentlich sechs bis acht Wochen vergehen, bis man sich wieder fit fühlt.

Auch an sehr ernsthafte Ursachen wird der Arzt denken, wenn Patienten über Abgeschlagenheit klagen. Bei Frauen kann ungewöhnliche Müdigkeit zum Beispiel auf verengte Herzkranzgefäße und einen drohenden Infarkt hinweisen.
Wer sich nachts unruhig im Bett wälzt, weiß, warum er sich am Tag wie zerschlagen fühlt. Nach Angabe des Schlafmedizinischen Zentrums der Charité Berlin leiden in Deutschland zwischen 10 und 15 Prozent der Bevölkerung an einer chronischen Schlafstörung. Wie sehr sich ein ­­Betroffener am Tag beeinträchtigt fühlt, hängt auch davon ab, wie viel Tiefschlaf er bekommt. Ein Mangel macht extrem müde.
Menschen, die sich gestresst fühlen, leiden ebenfalls häufiger unter einer gestörten Nachtruhe. Schnell entsteht dann eine Spirale der Belas­tung. Die Angst vor der nächsten schlaflosen Nacht macht sie angespannt und erschwert ihnen wiederum das Ein- und Durchschlafen. Ärzte werden versuchen, den Ursachen dafür auf die Spur zu kommen, bevor sie dem Patienten ein Medikament verordnen. Gute Erfahrungen haben Mediziner auch mit Programmen aus der kognitiven Verhaltenstherapie gemacht.

Immer richtig: Mehr Bewegung
Wenn jemand trotz ausreichender Nachtruhe tagsüber immer wieder einzunicken droht, liegt es möglicherweise an einer Beeinträchtigung der Schlafqualität, ohne dass der ­Betroffene davon etwas weiß. Nächtliche Störfaktoren sind beispielsweise Atemaussetzer, Schnarchen, unruhi­ge Beine, periodische Beinbewegun­gen, Zähneknirschen oder Albträume. Oft lässt sich der Auslöser erst im Schlaflabor erkennen. Wenn beim Hausarzt andere Ursachen für die chronische Müdigkeit ausgeschlossen wurden, kann der Termin bei einem Schlafmediziner sinnvoll sein.
Ein guter Rat gilt nicht nur für Frühjahrsmüde: Auf körperliches Training sollte niemand verzichten, auch wenn es sich zunächst nur um einen kleinen Spaziergang oder ein paar Treppenstufen extra handelt. Denn: Je länger wir uns ausruhen, umso weniger trainiert sind wir, und umso schwerer fällt uns jede Anstrengung.

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