Medikamente können eine bestehende Blasenschwäche verstärken. Ihre Apotheke weiß Rat

Ältere Menschen haben oft Probleme mit der Blase. Das ist nichts, wofür man sich schämen müsste. Apotheker betreuen Patienten mit Inkontinenz und haben schon vielen Betroffenen die Scheu vor dem Thema genommen. Während bei Männern meistens eine Prostata-Operation die Blasenschwäche verursacht, ist es bei Frauen ­oft ein durch mehrere Geburten erschlaffter Beckenboden. Manche Medikamente können das Problem zusätzlich verstärken.

Zielscheibe Blasenmuskel
Viele häufig verordnete Medikamente verursachen Blasenentleerungsstörungen. So lassen Antidepressiva, Beruhigungsmittel, Antihistaminika und Parkinsonmittel den Blasenmuskel erschlaffen. Die Blase wird nur noch unvollständig entleert, und die Betrof­fenen müssen öfter auf die Toilette. Auf diese Weise kann eine sogenannte Überlauf­­inkontinenz entstehen.
Blutdruck- und Cholesterinsenker oder Mittel gegen Demenz und Herzschwäche wirken umgekehrt: Sie erhöhen die Aktivität des Blasenmuskels oder kurbeln die Urinproduktion an und verstärken dadurch eine Drang­inkontinenz: Die Betroffenen leiden unter plötzlichem starken Harndrang und erreichen oft nicht schnell genug die Toilette.

Optimaler Zeitpunkt
Entwässernde Medikamente, die die Urinproduktion fördern, werden bei Bluthochdruck und Herzschwäche eingesetzt. Die Patienten müssen häufiger zur Toilette, was therapeutisch erwünscht ist, sich aber bei bereits bestehender Inkontinenz ungünstig auswirkt. Zu spät eingenommen, stören sie zudem den Schlaf, weil die Patienten nachts oft aus dem Bett müssen. Entwässernde Mittel sollten daher morgens oder mittags eingenommen werden.
Muskelentspannende Medikamente und Beruhigungsmittel aus der Gruppe der Benzodiazepine beeinträchtigen dagegen den Blasenschließmuskel und die Beckenbodenmuskulatur: Bereits bei leichten körperlichen Belastungen wie Husten, Niesen und Lachen geht unwillkürlich Harn ab.

Blick in die Medikationsliste
Urologen sprechen in diesem Fall von Belastungsinkontinenz. Da blutdrucksenkende ACE-Hemmer oft Reizhusten verursachen, können sie das Problem verstärken. Patienten sollten bei der Abklärung der Inkontinenz durch den Arzt die Medikationsliste mitbringen. Oft hilft es, Mittel umzustellen oder abzusetzen, wenn sie nicht unbedingt nötig sind. Falls die Probleme erstmals oder plötzlich verstärkt auftreten, überprüfen Apotheker den Medikationsplan auf „verdächtige“ Präparate und raten gegebenenfalls zu ­einem Arztbesuch.

Arzneimittel mit Tücken
Nicht immer gelingt es, die Probleme durch eine Umstellung der Medikation in den Griff zu bekommen. Oft verordnen Ärzte dann spezielle Arzneimittel gegen Inkontinenz, die aber ebenfalls ihre Tücken haben. Medikamente, die den Blasenmuskel entspannen und die Speicherkapazität der Blase verbessern, können wiederum die Entleerung verschlechtern. So entsteht aus einer Drang- mitunter eine Überlauf­inkontinenz, die viele als noch belastender empfinden. Außerdem können Mittel gegen Inkontinenz eine bestehende Demenz verstärken.
Zudem gibt es heute gute Hilfsmittel: Je nach Stärke der Inkontinenz sind Einlagen, Vorlagen, Höschen und Windeln in verschiedenen Größen und Saugstärken sowie spezielle Erzeugnisse für Männer verfügbar. Mit guten Inkontinenzprodukten bleiben die Patienten mobil, weil sie sich sicherer fühlen und wieder unter die Leute trauen.
Je nach Schwere der Inkontinenz findet sich für jeden das passende Produkt: Auch bei leichter Blasenschwäche sollte man spezielle Inkontinenzein­lagen benutzen. Viele Frauen behelfen sich zunächst mit normalen Slip­einlagen oder Damenbinden – ein Fehler: Sie werden feucht, riechen schnell und können Hautreizungen verursachen.

Kostspielige Lösung
Inkontinenzeinlagen enthalten dagegen ein Pulver, das den Urin bindet und ein geruchloses Gel daraus macht. Die Oberfläche bleibt trocken. Nachteil: Die Hightech-Produkte sind nicht ganz billig. Zwar zahlen die Krankenkassen eine monatliche Pauschale. Aber jeder Zweite kommt damit nicht aus.

Verwirrende Versorgung
Die Inkontinenzversorgung von Kassenpatienten bedeutet für Apotheken einen großen Aufwand: Sie müssen bei jeder Kasse einen eigenen Ver­­sorgungsantrag stellen. Es gibt auch Kassen, deren Versicherte sie überhaupt nicht beliefern dürfen.

Bildnachweis: W&B/Martina Ibelherr