
Jungen kommen manchmal mit einem Hodenhochstand zur Welt. Er verursacht keine Beschwerden. Dennoch raten Ärzte heute dazu, ihn frühzeitig zu therapieren
Die Natur hat es sich ganz clever ausgedacht: Im Laufe der Schwangerschaft wandern im männlichen Fötus die beiden Hoden, die im Bauchraum angelegt werden, aus dem Körper heraus in den Hodensack hinein. Dort ist die Temperatur circa vier Grad niedriger als im Körper – perfekt für die Keimdrüsen, um später einmal Samenzellen produzieren zu können. Läuft alles normal, sind die Hoden bei der Geburt im Hodensack tastbar.
Allerdings: Bei etwa drei Prozent der reifgeborenen und bei etwa 30 Prozent der frühgeborenen Jungen kommen sie nicht an ihrem Ziel an. Damit ist der Hodenhochstand, wie die Lageanomalie der Keimdrüsen heißt, die häufigste genitale Fehlbildung bei männlichen Babys.
Meist hat der Hoden seinen vorgesehenen Weg einfach nicht beendet. Manchmal liegt der Hoden noch im Bauch, manchmal ist er bereits in den Leistenkanal gewandert (Leistenhoden), aber nicht tief genug hinabgestiegen. Eher selten liegt er komplett abseits des Weges, zum Beispiel im Oberschenkel (Hodenektopie).
Warum dies geschieht, wissen Mediziner noch nicht genau. Eine besondere Form des Hodenhochstandes ist der sogenannte Gleithoden. Hier hängt die Keimdrüse an einem verkürzten Samenstrang, der wie ein gespanntes Gummiband wirkt. Der Hoden lässt sich zwar in den Hodensack ziehen, er gleitet aber wieder zurück, sobald er losgelassen wird.
Gleich bei der ersten Untersuchung nach der Geburt tastet ein Kinderarzt den Hodensack ab und stellt den Hodenhochstand fest. Danach heißt es abwarten. Bei etwa sieben Prozent der Patienten gelangt der Hoden innerhalb der ersten sechs Lebensmonate doch noch an seinen Platz. Falls nicht, verordnet der Kinderarzt oder -chirurg zum Beispiel eine Hormontherapie. Sie soll die Reifung der fehlgeleiteten Keimdrüse vorantreiben und sie anstoßen, sich noch auf den Weg zu machen. Führt das nicht zum Erfolg, muss das Baby operiert werden, um Folgeschäden zu verhindern. Eine OP ist auch dann meist nötig, wenn sich Gleit- oder Leistenhoden erst nach der Geburt in den ersten Lebensjahren entwickeln.
Inzwischen geht die Empfehlung dahin, dass beide Hoden bis zum vollendeten ersten Lebensjahr ihren Platz außerhalb des Körpers eingenommen haben sollten. Denn zahlreiche Studien zeigen: Die Fruchtbarkeit eines erwachsenen Mannes ist deutlich geringer, wenn einer seiner Hoden nach dem ersten Geburtstag noch im Körper lag. Außerdem sind Betroffene einem fünf- bis zehnfach höheren Risiko ausgesetzt, später einmal an Hodenkrebs zu erkranken.
Eine Operation wird meist ambulant durchgeführt, der kleine Patient muss anschließend einige Tage Bettruhe einhalten. Drei Monate nach der OP kontrolliert der Kinderchirurg die Lage und Größe des Hodens. Entwickelt er sich gut, reicht es aus, wenn der Kinderarzt ihn weiter im vierteljährlichen Abstand untersucht, bis ein Jahr nach der OP. In ein bis fünf Prozent der Fälle wandert der Hoden nach Abschluss der Therapie wieder hoch. Dann muss noch einmal operiert werden. Allerdings geschieht das frühestens sechs Monate nach dem ersten Eingriff.
Während der Jahre, in denen ein Kind regelmäßig zu den Vorsorgeuntersuchungen geht, überprüft der Kinderarzt weiterhin Lage und Entwicklung der Hoden. Ab der Pubertät sollten Jungen sich selbst abtasten. Dies dient der Krebsvorsorge. Je früher ein Tumor entdeckt wird, umso erfolgversprechender ist die Therapie.
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