Nebenwirkungen: Arzneimittel schädigen die Leber öfter als bisher vermutet. Was Patienten tun können

Das Problem wurde offenbar lange unterschätzt: Leberschäden durch Arzneimittel sind häufiger, als bislang gedacht. Forscher der Universität Island in Reykjavik hatten zwei Jahre lang alle Fälle arzneimittelbeding­ter Leberschäden in ihrem Land analysiert. Wie sie in dem Fachmagazin Gastroenterology berichten, erleiden im Durchschnitt jedes Jahr 19 von 100.000 Einwohnern Leberschäden durch Medikamente. Für Deutschland gibt es bislang keine vergleichbaren Zahlen. Denn: Da die Symptome zunächst unspezifisch sind, bleiben Leberschäden oft unerkannt. Experten gehen deshalb von einer hohen Dunkelziffer aus.
Zu den Präparaten, die der Studie ­zufolge dem Organ häufig zusetzen, gehören das rezeptfrei erhältliche Schmerzmittel Paracetamol, das Antibiotikum Amoxicillin, die Immunsuppressiva Azathioprin und Methotrexat sowie nichtsteroidale Antirheumatika wie Diclofenac. Wer diese Medikamente längere Zeit einnehmen muss, sollte regelmäßig die Leberwerte kontrollieren lassen. Bei einer Schädigung der Leberzellen sind bestimmte Enzymwerte erhöht.

Überdosierungen vermeiden
Zur Entwarnung: Bei sachgerechter Anwendung sind Arzneimittel sehr sicher. Trotzdem lassen sich Leberschäden nie ganz ausschließen – vor allem, wenn das Organ bereits vorgeschädigt ist. Sie können durch Über­dosierungen oder eine Überschreitung der vorgeschriebenen Therapiedauer auftreten. Deshalb dürfen Patienten die Dosis nie eigenmächtig erhöhen oder Arznei­mittel länger nehmen als verordnet. Selbst nach einmaliger Einnahme eines Wirkstoffs kommt es bisweilen zu unvorhersehbaren Problemen.

Dies kann passieren, wenn der Patient aufgrund seiner Enzymausstattung ein Medikament nicht richtig abbauen kann. Auch ältere Menschen verstoffwechseln Arzneimittel oft langsamer, sodass diese sich im Körper anreichern. Außer­dem nehmen viele Patienten mehrere Medikamente gleichzeitig ein, die sich beim Abbau gegenseitig stören können. Deshalb sollte man sich zu möglichen Wechselwirkungen in der Apotheke beraten lassen.

Immunsystem kann Wirkstoffe als Fremdkörper erkennen
Das Immunsystem ist mitunter eben­falls an Leberschäden beteiligt: So ­können Wirkstoffmoleküle an der Oberfläche der Leberzellen als sogenannte Haptene immunologisch erkannt werden. Das Immun­sys­tem stuft sie als Fremdkörper ein, greift die Leberzellen wie bei einer Auto­immun­reaktion an und schädigt sie.
Wenn nach der Einnahme eines Medikaments unspezifische Beschwerden wie Appetitlosigkeit, Abgeschlagenheit oder Fieber auftreten, sollte man den Arzt aufsuchen, da die Leberfunktion beeinträchtigt sein könnte. Schwerere Schäden machen sich durch Gelbsucht, entfärbten Stuhl und dunklen Urin bemerkbar. Bestätigt sich der Verdacht, muss das Medikament nach Rücksprache mit dem Arzt reduziert oder abgesetzt werden. In der Regel norma­lisiert sich die Leberfunktion dann schnell wieder.

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